Miles Flint 01 - Die Verschollenen
Ihres Sohnes reagiert.« Flint sprach so leise, dass Jamal ihn kaum verstehen konnte.
»Wir sind unterschiedliche Personen.«
Dylani drehte sich um. Tränen rannen ihr übers Gesicht. Ennis starrte seine Eltern fassungslos an. »Jamal. Jamal, er ist hier. Es geht ihm gut.«
Jamal ging zu ihr – nicht zuletzt, um den Detective daran zu hindern, ihm weitere Fragen zu stellen. Er legte die Arme um sie, umfasste gleichzeitig Ennis und versuchte, sich diesen Moment einzuprägen.
Er drückte seine Stirn an Ennis feste Locken und inhalierte den vertrauten Duft nach Talkum und Baby – Baby, das sein Sohn war. Ein Teil von Jamal hatte bereits geglaubt, er hätte Ennis verloren. Dass der Junge nun hier war, war wie ein Gottesgeschenk für ihn. Vielleicht ein grausames Geschenk, aber doch eine Geschenk.
Ennis legte die Arme um den Hals seines Vaters und stemmte sich so fest gegen ihn, dass Jamal keine andere Wahl blieb, als ihn Dylani abzunehmen. Der Junge zitterte. Er hatte gewusst, dass irgendwas nicht in Ordnung war. Vielleicht hatte er sich sogar gefürchtet.
Jamal legte die Hand auf den Rücken seines Sohnes, tätschelte ihn und murmelte tröstende Worte. Dann drehte er sich, wie er es oft tat, wenn er seinen Sohn im Arm hielt, und sah, dass der Detective ihn beobachtete.
Flints Blick war zu scharf. Offensichtlich wusste er, dass Jamal log. Aber Jamal konnte ihm nicht trauen, konnte ihm auf keinen Fall die Wahrheit sagen.
Flint war von Gesetzes wegen verpflichtet, die Wygnin zu unterstützen – und Jamal durfte ihnen zu diesem Zeitpunkt keinen Vorteil verschaffen.
Sie hatten bereits alle Vorteile, die sie benötigten.
DeRicci trank den letzten Schluck ihres Kaffees, kippte die Tasse so weit, dass auch der letzte Tropfen in ihren Mund rann. Sie wünschte, sie könnte sich das hochwertigere Zeug leisten; der Hafen servierte wie die Unit nur billigen, minderwertigen Kaffee mit wenig Koffein. Sie aber brauchte etwas Starthilfe für ihren Körper.
Sie hatte zweifelsohne nicht genug geschlafen.
DeRicci beugte sich über das Tablett mit Gebäck im Büro, nahm sich ein Stück Streuselkuchen, schenkte sich eine weitere Tasse Kaffee ein und trank. Sollten sie doch alle auf sie warten. Sie wollte wach sein, wenn sie sich den Wygnin erneut stellen musste.
Was nicht einfach werden würde. Sie hatte nur vier Stunden Schlaf bekommen. Statt zu schlafen, hatte sie den größten Teil der Zeit nach dem Nachhausekommen damit verbracht, den Chief und einen der rangniedrigeren Mitarbeiter der Kuppelregierung zu bequatschen, ihr den Fall abzunehmen.
Aber beide mauerten, genauso wie schon zuvor. Sie wollten, dass sie diese Sache erledigte, und sie wusste auch genau, warum: Selbstschutz. Sollte sie einen Fehler begehen, würde man sie den Wygnin zum Fraß vorwerfen. Machte sie hingegen alles richtig, würden andere die Lorbeeren kassieren.
Hätte sie irgendetwas anderes tun können, sie hätte einfach ihren Job aufgegeben und es ihren Vorgesetzten überlassen, mit den Folgen klarzukommen. Aber vor fünf Jahren hatte sie sich bereits nach anderen Arbeitsmöglichkeiten umgesehen, und die hatten ihr alle nicht gefallen. Keine andere Arbeit wurde so gut bezahlt wie diese, und nur wenige waren ihren Fähigkeiten angemessen.
DeRicci saß fest; also musste sie das Beste daraus machen.
Sie aß den Rest ihres Streuselkuchens – der mit einer Art von synthetischem Zucker anstelle des richtigen hergestellt worden war – und kippte die zweite Tasse Kaffee herunter, als hinge ihr Leben davon ab.
Auch wenn ihr sonst weiter nichts blieb, so konnte sie doch mit Fug und Recht Toilettenpausen verlangen, wenn die Verhandlungen mit den Wygnin sich zu anstrengend gestalteten.
DeRicci hätte Flint an diesem Morgen anrufen sollen, um ihn mitzunehmen. Er musste lernen, wie er diese verlogene Diplomatenarbeit zu handhaben hatte, die so gar nicht zum Berufsbild eines Detectives gehörte. Es war Zeit, dass sie aufhörte, ihn zu schützen, und anfing, ihn seine Arbeit selbst machen zu lassen.
Aber vielleicht wollte sie sich den Wygnin nur nicht ein weiteres Mal allein stellen müssen.
DeRicci schenkte sich eine dritte Tasse Kaffee ein und trug sie in den Besprechungsraum. Das Juristenteam saß bereits am Tisch; die Wygnin hatten sich hinter ihnen aufgestellt. Das Team gehörte zu den Besten in Armstrong, war bekannt für seine Beweisführung im Zuge etlicher Fälle, die vor den Multikulturellen Tribunalen verhandelt worden waren.
Xadia Solar war in
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