Miles Flint 01 - Die Verschollenen
– und sei es auch noch so schwer aufzufinden – würden die Rev sie entdecken.
Und es war unmöglich, die Armstrongkuppel ohne Geld zu verlassen. Die Hochgeschwindigkeitszüge, die kreuz und quer über den Mond jagten, stellten die einzige Reisemöglichkeit zwischen den Kuppelkolonien dar. Die konservativen Umweltschützer lehnten es ab, Straßen durch die luftleere Mondlandschaft zu bauen.
Ekaterina konnte nicht einfach unter der Kuppel durchschlüpfen und zu Fuß aus Armstrong verschwinden, nicht ohne einen Schutzanzug. Sie saß hier fest, in dieser künstlichen Umwelt, bis sie einen Weg gefunden hätte, von hier zu entkommen.
Ihre verbliebenen Möglichkeiten beschränkten sich damit auf Diebstahl oder den Versuch, einen Verbündeten zu finden. Trotz allem, was sie getan hatte, war sie keine Kriminelle. Sie hatte keine Ahnung, wie Stehlen funktionierte, und vermutlich hätte sie sich dabei auch äußerst ungeschickt angestellt. Außerdem war sie bis jetzt noch nicht so verzweifelt.
Was sie brauchte, war jemand, der bereit war, ihr aus der Kuppel hinaus und vielleicht sogar fort vom Mond zu helfen. Das bedeutete, sie musste jemanden finden, der über die nötigen Mittel verfügte, jemanden mit kriminellen Neigungen und jemanden, der bereit war, Ärger mit den Rev zu riskieren, um ihr zu helfen.
Die meisten Leute, die sie auf dem Mond kannte, waren ehemalige Klienten; also sollten kriminelle Neigungen nicht schwer zu finden sein. Ekaterina hatte es beinahe in jedem Fall geschafft, dass die Anklagen gegen ihre Klienten fallen gelassen wurden, somit sollte es auch nicht allzu schwer sein, jemanden zu finden, der bereit wäre, ihr zu helfen. Die meisten ihrer ehemaligen Klienten – zumindest die, die eine Art von Moralempfinden ihr eigen nannten – wären prädisponiert, sie zu unterstützen, selbst wenn das hieß, dass sie es mit der Justiz der Rev zu tun bekommen könnten.
Das Problem war, jemanden zu finden, der gut informiert und ausgezeichnet ausgestattet war. Sollte Ekaterina einen ehemaligen Klienten auftreiben, der gewillt war, ihr zu helfen, dabei aber arm war, könnte diese Person auch bereit sein, sie an den Höchstbietenden zu verkaufen. Das musste sie irgendwie verhindern.
Dann schüttelte sie den Kopf. Die finanzielle Lage war nicht von Belang. Ihre Klienten waren Kriminelle. Sie könnten sie ebenso gut verkaufen, weil ihnen gerade der Sinn danach stand.
Ekaterina lehnte sich an das erbärmlich erbaute Häuschen, und die alte Permaplastikwand fühlte sich kühl in ihrem Rücken an. Ihre Lungen brannten nicht mehr gar so schlimm, aber ihre Muskeln waren vor Erschöpfung bleischwer. Sie hätte hier geschlafen, hätte sie gewusst, wie lange die Dunkelheit in der Kuppel andauern würde, aber das wusste sie nicht, und so erschöpft, wie sie war, hätte sie womöglich den Falschen Morgen verschlafen.
Was sie brauchte, war die Hilfe eines Verschwindedienstes, so wie schon zuvor. Die meisten Verschwindedienste auf dem Mond waren nur Zweigniederlassungen, und Ekaterina hatte bereits die zwölf wichtigsten erdbasierten Dienste überprüft und feststellen müssen, dass sie nicht verfügbar waren.
Mit Ausnahme von Disappearance Inc. Und der hatte sich als Fehlgriff erwiesen. Aber dass dies ein Fehlgriff gewesen war, bedeutete nicht, dass sie irgendeinem anderen erdbasierten Dienst trauen sollte.
Stattdessen war sie vielleicht besser beraten, einen mondbasierten Dienst zu konsultieren. Oder einen mit einer nicht menschlichen Klientel. Und wenn ein neuer Verschwindedienst sie sicher aus Armstrong herausbringen konnte, konnte sie sogar mit dem Maakestad-Vermögen dafür bezahlen.
Aber sie würde nur eine Chance bekommen. Ein einziger Fehler, und sie würde binnen einer Stunde in der Gewalt der Rev sein.
Vielleicht war es ein Fehler, sich noch einmal einem Verschwindedienst anzuvertrauen, aber ihr fiel einfach keine andere Möglichkeit ein. Und vielleicht sollte sie sich etwas anderes einfallen lassen.
Aber was auch immer sie tat, sie würde es bald tun müssen. Sie konnte sich nicht ewig auf den Straßen von Armstrong herumtreiben.
17
F lint war noch nie zuvor zur Polizeipräsidentin gerufen worden. Er hatte sie natürlich schon gesehen. Jeder in der Stadt hatte sie irgendwann gesehen. Neben dem Bürgermeister und dem Oberhaupt der kommissarischen Regierung war die Polizeipräsidentin die am häufigsten sichtbare Amtsperson von ganz Armstrong.
Ihr Büro spiegelte diese Tatsache wider. Es
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