Miles Flint 01 - Die Verschollenen
dafür sehen, dass Palmer die ganze Zeit über streng hätte bewacht werden müssen.
»Wenn mit Gefahr gerechnet werden kann«, sagte Hobell, »sind bestimmte Vorschriften zu befolgen.«
»Wir haben sie befragt, Ma’am, und wir haben einige verdächtige Dinge gehört. Aber man hat uns gesagt, dass sie vermutlich eine Touristin ist. Wir haben nichts gehört, das dieser Möglichkeit widersprochen hätte.« Er legte die Hände hinter dem Rücken zusammen, als stünde er in Habachtstellung. »Es gibt auch Vorschriften für den Umgang mit Touristen, Ma’am. Es wird von uns erwartet, dass wir behutsam mit ihnen umgehen.«
»Nun, mit ihr sind Sie zweifellos behutsam umgegangen.«
»Nein, Ma’am, ich bitte um Vergebung, aber das sind wir nicht.« Flint sprach mit ruhiger Stimme; doch im Geiste konnte er beinahe hören, wie DeRicci ihn anherrschte, er möge sich nicht noch tiefer reinreiten. Aber er konnte nicht einfach aufhören. Er hatte das Gefühl, dass DeRicci in den letzten Zügen lag, und dass sie nirgends hin konnte. »Als ich Noelle verlassen habe, wollte sie Palmer gerade reinbringen. Sie hatte zwei Wachleute dabei. Das gehört nicht zu den Standardvorgaben für den Umgang mit Touristen. Außerdem hat sie einen Luftwagen für den Gefangenentransport benutzt. Das einzige, was wir unterlassen haben, war, Palmer zu fixieren.«
Hobells Augen wurden schmaler. »Warum haben Sie es nicht für nötig gehalten, sie zu fixieren?«
»Als ich bei Traffic gearbeitet habe, habe ich festgestellt, dass es den Leuten meist nichts ausmacht, in Gefangenentransportern transportiert zu werden. Aber es macht ihnen durchaus etwas aus, wenn ihre Hände fixiert werden.«
»Sie denken, dass sie sich, wäre sie eine Touristin gewesen, über den Transport selbst nicht beklagt hätte, wohl aber über die Fixierung?«
»Das sagt mir meine Erfahrung, Ma’am.« Nun nahm er doch die Schuld auf sich. DeRicci würde wütend auf ihn sein, sollte sie je davon erfahren.
Die Polizeipräsidentin stemmte erneut die Hände in die Hüften und musterte ihn. Es war, als wolle sie herausfinden, ob er gelogen hatte, indem sie ihn einfach nur anstarrte.
»Sie meinen, Greta Palmer wäre gerissener, als ich es ihr zutraue, korrekt?«
Flint nickte.
»Was bedeutet, dass sie extrem schwer zu schnappen sein wird.«
»Besonders, falls sie hier irgendwelche Freunde hat«, fügte Flint hinzu.
Hobell presste die Lippen zusammen. »Denken Sie, sie wird wirklich von den Rev gesucht?«
»Ich denke, die Rev werden zumindest mit ihr reden wollen«, antwortete Flint. »Immerhin hat sie sich den Rücken freihalten können, indem sie bei der Landung behauptet hat, die Rev wären hinter ihr als der einzigen Überlebenden eines Angriffs her – oder wie auch immer man das nennen will.«
»Und im schlimmsten Fall ist sie diejenige, hinter der die Rev her sind.«
»Ja«, bestätigte Flint.
Die Polizeipräsidentin schüttelte den Kopf, ging zum Schreibtisch und lehnte sich an das Möbelstück. Dann schüttelte sie wieder den Kopf, als könnte sie ihren eigenen Überlegungen nicht zustimmen.
»Ist Ihnen klar, dass ich vorhatte, Ihnen einen Tadel zu erteilen und DeRicci zu degradieren?«, fragte sie.
»Nein, Ma’am, das war mir nicht klar«, antwortete Flint. Aber er hatte es befürchtet. Ebenso wie DeRicci.
Hobell zog die Augenbrauen hoch, und Flint hatte das Gefühl, dass seine letzte Äußerung sie nicht überzeugt hatte. »Ich habe darüber nachgedacht, was Sie in Ihrem Bericht geschrieben haben, und ich kann keine Fehler in ihrer Argumentation entdecken. Ich wünschte, ich könnte, denn ich würde diese Krise viel lieber einer falschen Herangehensweise Ihrerseits anlasten als sie Palmers Gerissenheit zuzuschreiben.«
»Ja, Ma’am«, sagte Flint.
Nun endlich lächelte sie. »›Ja, Ma’am‹«, spottete sie. »Sie sind wirklich höflich, Flint, ein wenig zu höflich sogar; aber ich habe mir Ihre Akte angesehen, bevor Sie gekommen sind. Sie sind auch nicht gerade der fügsamste Mensch.«
»Auch?«, fragte er.
»DeRiccis Missetaten sind unübersehbar. Ihre dagegen gründen zumeist auf einer sehr weiten Auslegung der Gesetze, aber niemals in einer Form, die es irgendjemandem ermöglichen würde, sich deswegen zu beschweren.«
Flint spürte, wie ihm die Röte ins Gesicht stieg, und er zwang sich, seine Reaktionen im Zaum zu halten. Er wollte vor dieser Frau nicht verwundbar erscheinen.
»Ich bin immer noch der Ansicht, dass Noelle DeRicci eine unserer
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