Miles Flint 02 - Die Lautlosen
leben, ohne dass irgendjemand schlau genug wäre, ihr auf die Schliche zu kommen.
Was anscheinend auch der Fall gewesen war … bis Rabinowitz aufgetaucht war.
Falls diese Analyse korrekt war, erklärte das auch, wie Rabinowitz zu dem Virus gekommen war. Zweig/Tey hatte ihn mit einer langsamer verlaufenden Version der Krankheit infiziert, vermutlich eine Vorgehensweise, die sie schon vor langer Zeit für den Fall geplant hatte, dass jemand sie schnappen könnte, und ihn dann davon geschickt, damit die Krankheit nicht zu ihr zurückverfolgt werden konnte.
Doch das erklärte nicht den Tod von Zweig/Tey. Hatte sie sich selbst ebenfalls infiziert? War sie durch einen Unfall zu Tode gekommen? War das der Grund, warum Gumiela das Wort getötet benutzt hatte?
Hatte sie zu verschleiern versucht, dass die Möglichkeit bestand, ein tödliches Virus könnte in der Kuppel freigesetzt worden sein? Der einzige Grund für sie, so etwas zu tun, war, dass die Stadt glaubte, sie könnte es eindämmen.
Nachdenklich fixierte Flint den Handheld auf der Suche nach Hinweisen. Zunächst ging er die Forschungsberichte über das Virus durch. Sie waren von einer Vielzahl verschiedener Leute verfasst worden. Einige der Artikel beschäftigten sich mit den wissenschaftlichen Schlussfolgerungen bezüglich des Virus’; andere widmeten sich den sozialen Aspekten des fehlgeschlagenen Experiments.
Rabinowitz hatte alle Artikel in einer Datei zusammengefasst und ganz oben mit einer Notiz versehen: Die gleiche Stimme.
Flint kniff die Augen zusammen, runzelte die Stirn und begriff schließlich, was Rabinowitz gemeint hatte.
Er hatte gedacht, die Artikel seien alle von derselben Person verfasst worden. Tey selbst, in dem Bemühen, ihren Ruf wiederherzustellen? Möglich, wie Flint überlegte.
Flint überflog die Zeilen, und sein Auge erfasste Worte und Phrasen:
Wir sind selbstgefällig geworden. Nur, weil unsere Medizintechnik die Krankheiten heilen kann, mit denen wir vertraut sind, glauben wir, wir kämen auch mit denen zurecht, die uns bisher noch nicht begegnet sind …
… betrachtet man die Menschheitsgeschichte, wird klar, dass, wann immer eine isolierte Gruppe, mit einem neuen Virus konfrontiert wird, das Virus die Bevölkerung dezimiert. Nur einige wenige Auserwählte haben ein Immunsystem, das stark genug ist, auch den Angriff einer vollkommen neuen Krankheit abzuwehren. Das Tey-Virus zeigt, dass auch wir nicht immun gegen eben die Probleme sind, die schon unsere Vorväter in weitaus verträglicherem Umfeld getötet haben …
Flint hörte auf zu lesen, rief das Ende der Artikel auf und entdeckte eine weitere Notiz von Rabinowitz: eine Erinnerung daran herauszufinden, auf welche Weise die diversen Magazine und Fachzeitschriften ihre Autoren aussiebten – und dann schloss Flint die Datei.
Flint wandte sich dem Terminkalender zu und stieß auf etliche Verabredungen mit Frauen in der ganzen Stadt.
Flint brauchte eine Weile, bis er Jane Zweig auf der Liste gefunden hatte. Schließlich entdeckte er einen gesondert gekennzeichneten Termin. Erst, als er diesen Datensatz geöffnet hatte, fand er Zweigs Namen.
Die Notizen, oberflächlich und unvollständig, zeigten, dass er erst mit einem untergeordneten Angestellten gesprochen hatte und dann mit Zweig selbst, die sich abweisend gezeigt hatte, kaum dass sie herausgefunden hatte, wer er war und welcher Arbeit er nachging.
Rabinowitz hatte es dennoch geschafft, irgendeinen Spurenbeweis zu ergattern; doch ob es sich dabei um einen Fingerabdruck handelte, einen Netzhautscan oder DNA konnte Flint nicht erkennen. Da Rabinowitz nichts darüber geschrieben hatte, nahm Flint an, es könnte sich um DNA handeln, was ohne Zweigs Genehmigung illegal gewesen wäre.
Und selbst diesen dürftigen Notizen ließ sich entnehmen, dass Zweig kaum ihre Genehmigung dazu erteilt hätte.
Eine DNA-Probe war einfach zu bekommen: eine Haarsträhne, eine Hautzelle, etwas Blut oder Speichel. Blut und Speichel mochten allerdings auch die Viren übertragen.
Flint würde Kontakt zur Polizei aufnehmen müssen. Er fragte sich, ob Gumiela mit ihm sprechen würde. Sie hatte keinen Ton über seine Kündigung verloren und ihn nicht einmal gegrüßt, als sich ihre Pfade eines Tages auf den Straßen der Stadt gekreuzt hatten.
Sie hielt nicht viel von Lokalisierungsspezialisten, die in ihren Augen ebenso schuldig waren wie die Verschwundenen, denen sie oft halfen, im Verborgenen zu bleiben. Sollte sie je herausfinden, was
Weitere Kostenlose Bücher