Miles Flint 02 - Die Lautlosen
Fähigkeiten verfügt, um daraus Kapital zu schlagen. Tey hatte in einem Punkt recht: Ihre Testgruppe war zu klein.«
Tokagawa schüttelte den Kopf. »Sie hätte so etwas nicht getan. Jane war nicht so. Sie hat das menschliche Leben geachtet.«
»Ich behaupte nicht, dass es anders wäre«, entgegnete Oliviari. »Frieda Tey hat das auch getan.«
»Unmöglich«, gab Tokagawa zurück. »Dann hätte sie die Leute nicht einfach so umkommen lassen können.«
»Sie haben selbst schon Triagen vorgenommen, nicht wahr, Dr. Tokagawa?«
Wieder schluckte er, geräuschvoll genug, einen Widerhall in dem kleinen Raum zu erzeugen.
»Das Prinzip ist das Gleiche«, fuhr Oliviari fort. »Sie können nicht alle retten; also opfern Sie diejenigen, die keine echte Chance haben, um für die übrigen, die eine Chance haben, zu tun, was immer Sie tun können.«
»Das ist absolut nicht das Gleiche«, widersprach er. »Bei der Triage geht es um Verwundete. Sie sprechen von gesunden Menschen, die an einer Krankheit gestorben sind, mit der sie von einer anderen Person infiziert wurden, die ihnen anschließend beim Sterben zugesehen hat.«
»Sie hat sie infiziert«, sagte Oliviari, »und sie hat ihnen die Mittel geliefert, sich selbst zu retten.«
Tokagawas Mund öffnete sich ein wenig. Wenn sie ihn nicht zu sehr in Bedrängnis brachte, konnte sie ihn vielleicht überzeugen. Der Schlüssel lag darin, die richtigen Worte zu finden, was nicht leicht werden würde, da ihr Verstand immer schwerfälliger reagierte.
»Ich bin ziemlich sicher, dass Frieda Tey geglaubt hat, sie wäre imstande, milden Erkenntnissen, die sie dort gewonnen hatte, einen Beweis dafür zu führen, dass Menschen unter Stress gut reagieren können, dass wir fähig wären, uns zu retten, ganz gleich, um welches Problem es geht.«
»Das ist nicht das Gleiche«, sagte er wieder.
»Das denken Sie, und das denke ich«, erwiderte Oliviari. »Aber sie hätten ein paar ihrer Arbeiten lesen sollen, die vor ihrem Verschwinden publiziert worden sind. Tey hat geglaubt, Verlust und Versagen wären eine notwendige Voraussetzung des Lernens. Sie hatte gute, logische Argumente, und sie hat sogar auf die Gesetze zurückgegriffen, die wir in Bezug auf den Umgang mit einigen der Aliens haben. Wir opfern einander ständig zum Wohl des Handels und um den Frieden zu wahren.«
»Aber so etwas zu tun …« Tokagawa schüttelte erneut den Kopf. »Niemand, der bei Verstand ist, kann so etwas tun.«
Eine Schweißperle rann über Oliviaris Schläfe. »Das bilden wir uns jedenfalls gern ein.«
Tokagawa musterte sie mit gerunzelter Stirn.
»Doch Frieda Tey hat immer einen geistig gesunden Eindruck vermittelt. Das sagt jeder. Und Sie sagen das Gleiche über Jane Zweig, obwohl Sie mit ihr einige dieser Gespräche geführt haben.«
Tokagawa bewegte den Kopf kaum wahrnehmbar von einer Seite zur anderen, ein Kopfschütteln, das ihm vermutlich überhaupt nicht bewusst war.
Oliviari verzog das Gesicht. Ihre Kraft ging zur Neige, und das konnte sie sich nicht erlauben. Sie musste imstande sein, solange zu argumentieren, bis sie ihn auf ihrer Seite wusste.
Dann klappte er den Mund zu.
»Lassen Sie mich die Viren sehen«, sagte er einen Moment später.
»Ich habe sie auf einem Handheld.«
Er schüttelte den Kopf. »Das muss ich selbst überprüfen.«
Gern hätte sie Widerspruch erhoben, aber sie verstand genau, warum er das wollte. Sie selbst hätte sich nicht anders verhalten. »In Ordnung.«
»Und ich muss die Polizei über Sie unterrichten«, fügte er hinzu.
»Ich weiß.« Ein weiterer Schweißtropfen glitt über Oliviaris Gesicht. »Aber tun Sie das erst, nachdem Sie das Virus überprüft haben, denn ich bin vermutlich die einzige Person hier, die es ausgiebig studiert hat, und ich glaube, ich weiß, wie wir es aufhalten können.«
»Das können wir auch lernen.«
Oliviari nickte. »Natürlich können Sie. Aber damit kommen wir zu dem anderen Fehler, den Frieda Tey begangen hat: Das Virus arbeitet schnell, und es hat bereits dieses Zelt infiziert. Ihre Zeit ist begrenzt.«
»Wollen Sie damit sagen, sie hatten gar nicht genug Zeit herauszufinden, wie sie sich retten könnten?«
»Ja«, bestätigte Oliviari. »Und wenn wir nicht aufpassen, könnte es uns ähnlich ergehen.«
»Ich lasse mich nicht so leicht ins Bockshorn jagen, Ms Oliviari.«
Sie schenkte ihm ein mattes Lächeln. »Ich auch nicht«, entgegnete sie. »Und im Augenblick fürchte ich mich, so sehr ich nur
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