Miles Flint 03 - Die Tödlichen
besser aus als zu der Zeit, zu der er selbst bei der Polizei gewesen war. Damals war sein Gesicht faltig gewesen, und er hatte stets dunkle Ringe unter den Augen gehabt. Nun hatte seine Haut mehr Farbe, und seine blonden Locken schienen noch heller zu sein als zuvor, fast wie ein Heiligenschein aus Haaren. Seine Augen waren strahlend blau, und wenn er so wie jetzt grinste, umgab ihn eine Aura von engelhafter Schönheit, die über die Schonungslosigkeit wirkungsvoll hinwegtäuschte, die DeRicci als verlässlich einzustufen gelernt hatte.
»Welchem Umstand verdanke ich diesen Besuch?«, fragte er sie.
»Hältst du es wirklich für unmöglich, dass ich dir einfach nur einen Freundschaftsbesuch abstatte?« Sie trat ein. Die Luft im Inneren war kühler und frischer. Sie fragte sich, ob er illegale Filter eingebaut hatte. Die Innenluft sollte der Außenluft in diesem Teil der Kuppel entsprechen, ob das nun gut war oder schlecht.
»Nicht so, wie du gekleidet bist. Sag nichts. Gumiela hat dir einen Fall zugewiesen, weil du neu bist, der Fall politische Dimensionen hat und sie dich, sollte irgendwas schiefgehen, feuern kann, ohne sich Sorgen um irgendwelche negativen Auswirkungen auf die Polizeibehörden machen zu müssen.«
Dergleichen stand in keiner Datenbank. Flint konnte offensichtlich einiges erraten, nachdem er selbst als Polizist gearbeitet hatte; der Rest war schlicht ein Beispiel für seine intuitiven Fähigkeiten.
»Unsinn.« DeRicci erschrak, als sich ihre Links abschalteten. In ihrem Ohr ertönte ein seltsames Brummen; dann zog sich eine weiße Linie über den unteren Rand ihres Blickfelds. Schließlich erhielt sie das Signal Systemversagen.
Normalerweise dachte sie daran, ihre Links abzuschalten, ehe sie Flints Gebäude betrat; aber heute war sie zum ersten Mal hier, nachdem sie die Anweisung erhalten hatte, ihre Notfalllinks nicht mehr zu deaktivieren.
Und die Computertechniker des Departments hatten ihr erzählt, dass nichts, absolut gar nichts diese Notfalllinks von außen abschalten könne.
Offensichtlich waren diese Techniker Miles Flint noch nicht begegnet.
Sein Grinsen wurde breiter. »Du solltest doch wissen, dass du deine Links abschalten musst, ehe du reinkommst.«
Zum Teufel mit seiner Beobachtungsgabe. »Vergessen«, sagte sie.
Die Tür hatte sich hinter ihr wieder geschlossen, sodass im Büro nur noch die trüben Lichtverhältnisse herrschten, die Flint zu bevorzugen schien. Plötzlich fühlte DeRicci sich unbehaglich und verstand zum ersten Mal, wie sich seine Klienten fühlen mussten, wenn sie sein Büro betraten.
»Du wolltest mir bestimmt erzählen, warum meine Vermutung Unsinn ist«, sagte er.
DeRicci rang sich ein Lächeln ab, schüttelte ihr Unbehagen ab und ging auf ihn zu. »Hast du im letzten Jahr keine Nachrichten verfolgt? Ich bin eine Heldin. Helden kann man nicht feuern.«
Nur Flint wusste wirklich zu würdigen, welch zwiespältige Gefühle DeRicci in Bezug auf den Mondmarathon hegte. Sie hatte an jenem Tag viele Tote gesehen. Auch er hatte viele Tote sehen müssen und hatte sich in seiner Rolle nicht wohlgefühlt. Tatsächlich hatten sie sich ein paar Mal in einigen der verschwiegeneren Restaurants von Armstrong zum Abendessen getroffen und darüber gesprochen, wie unglücklich dieser Fall sie zurückgelassen hatte.
Diese Unterhaltungen waren für beide die einzigen Gelegenheiten gewesen, zu denen sie über den Fall hatten sprechen können. Wegen der traumatischen Natur des Falles war DeRicci gefordert gewesen, einen der Seelenklempner ihrer Dienststelle aufzusuchen – was sie auch getan hatte –, aber mit dem hatte sie nur oberflächlich über das Thema geredet, und der Seelenklempner, der nicht annähernd so intuitiv war wie Flint, hatte es nicht einmal gemerkt.
»Ja«, sagte Flint, »diese Heldengeschichte bleibt dir für den Rest deines Lebens erhalten. Für Jobs unter Andrea Gumiela gilt das aber nicht. Ich hätte erwartet, dass sie eifersüchtig auf dich ist.«
DeRicci schüttelte den Kopf. »Sie ist erleichtert. Ich habe ihr den Arsch gerettet.«
»Was dir auch nur für begrenzte Zeit gewisse finanzielle Vorteile verschafft.«
»Ich weiß.« DeRicci trat auf die andere Seite des Schreibtischs und griff nach Flints Stuhl. »Darf ich mich setzen?«
»Gern, vorausgesetzt du stellst den Stuhl mit Abstand zu meinem Schreibtisch auf.«
DeRicci trug den Stuhl in die Mitte des kleinen Raums. Flint sah ihr zu, machte aber keinerlei Anstalten, ihr zu helfen. Dann
Weitere Kostenlose Bücher