Miles Flint 05 - Paloma
den Klang einer Faust simulierte, die auf eine Permaplastikfläche hieb.
»Nennen Sie Ihr Anliegen.« Die Stimme war männlich und tief, und sie klang verärgert.
»Detective Bartholomew Nyquist.« Nyquist hielt die Hand so, dass die Tür die Standardidentifikation in seinem Handflächenchip lesen konnte. »Ich komme wegen der Ermordung einer Frau im Stockwerk unter Ihnen. Sie ist gestern gestorben. Ihr Name war Paloma.«
»Weiter«, sagte die Stimme.
»Die Dienstvorschriften besagen, dass alle offiziellen Befragungen von Angesicht zu Angesicht durchzuführen sind.«
»Warum ist dieses Gespräch offizieller Natur?«
»Weil ich jeden Bewohner dieses Gebäudes befrage«, sagte Nyquist.
»Davon habe ich noch nichts gehört«, sagte die Stimme.
»Wir haben gerade erst damit begonnen«, sagte Nyquist.
»Und Sie fangen hier an?«, fragte die Stimme.
»Es gibt Beweise, die darauf hindeuten, dass der Mörder in einem höheren Stockwerk auf sein Opfer gewartet hat«, sagte Nyquist. »Es ist folglich logisch, ein Stockwerk oberhalb des Tatorts anzufangen.«
Die Tür öffnete sich, und ein schwacher Duft von Räucherwerk wehte heraus. Nyquist betrat ein Appartement, das so düster war wie das von Paloma hell. Die Wände zu beiden Seiten waren mit weiteren Mondfliesen geschmückt, doch das Muster war schwer zu erkennen. In die Decke waren Leuchten eingelassen, vermutlich dafür vorgesehen, das Muster zum Leben zu erwecken, aber keine von ihnen war eingeschaltet.
Nyquist ging um eine Ecke herum und betrat das Wohnzimmer. Diese Wohnung bot keinen Ausblick auf die Kuppel und die dahinterliegende Mondlandschaft, zumindest nicht vom Wohnzimmer aus. Vielleicht von den Schlafzimmern aus, aber vielleicht war dies auch eines der weniger kostspieligen Appartements, die dazu erbaut worden waren, das Gebäude allen Einkommensschichten ›verfügbar‹ zu machen.
Ein einzelner Sessel dominierte den Raum, einen Raum voller Schirme, Bots und Unterhaltungselektronik auf dem neuesten Stand der Technik, alles um den Sessel herum angeordnet. Plötzlich ergab die Dunkelheit einen Sinn. Claudius Wagner verbrachte den größten Teil seiner Zeit in diesem Sessel, betrachtete imaginäre Landschaften, führte ein irreales Leben.
Der Mann selbst kam soeben aus der Küche und wischte sich die Hände an einem Handtuch ab. Er war groß, hatte eine Mähne silbernen Haares und eine Nase, die eine weitere Erklärung für den an Raubvögel gemahnenden Nachnamen bot, den er sich zugelegt hatte.
»Charles Hawke«, sagte er und streckte die Hand zum Gruß aus.
Nyquist starrte sie einen Moment schweigend an, ehe er Zugriff. »Bartholomew Nyquist.«
»Ich war erschrocken, als ich von dem Mord erfahren habe«, sagte Claudius.
»Spielen wir keine Spielchen, Mr. Wagner«, sagte Nyquist. »Ihr Sohn hat mir gesagt, wo ich Sie finden kann.«
Claudius ließ die Hand sinken. Einen Moment musterte er Nyquist forschend. Claudius’ Gesicht wies keine modifiziertenEmotionen auf, wie es bei dessen Sohn der Fall war. Stattdessen vermittelte er den Eindruck eines athletischen Mannes, der zufrieden war, allein zu leben, der sich an seinen persönlichen Vergnügungen und seiner Einsamkeit erfreute.
Er schien darüber nachzudenken, ob er fortfahren sollte, über seine Identität zu lügen. Dann schüttelte er kaum merklich den Kopf.
»Ignatius hat mit Ihnen gesprochen?«, fragte er ein wenig ungläubig.
»Justinian.«
Claudius atmete hörbar aus und wendete sich ab. Kehrte zurück in die Küche. Nyquist folgte ihm und war überrascht, sich in einem aufwändig eingerichteten Raum mit der erlesensten Küchenausstattung und einigen altmodischen Gerätschaften wie beispielsweise einem präkolonialen Campingkocher, der an der Wand befestigt war, wiederzufinden.
»Was will er?«, fragte Wagner mit dem Rücken zu Nyquist.
»Justinian? Ich bin nicht sicher«, sagte Nyquist. »Aber ich möchte wissen, warum Ihr Schiff, die Xendor’s Folly, von der bixinischen Regierung verflucht wurde und warum Sie Ihren Namen geändert haben.«
Claudius drückte auf einen Knopf an der Wand und sah zu, wie eine orangefarbene Flüssigkeit zusammen mit Eis in ein Glas rann. Seine Hand zitterte, als er das Glas an die Lippen führte. »Jemand hat den Bixinern verraten, wo sie meine Frau finden können.«
Die Wortwahl ließ Nyquist aufhorchen. »Ich wusste nicht, dass Sie und Paloma verheiratet waren.«
Claudius’ Lippen bebten, dann zuckte er mit den Schultern. »Wir haben unsere
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