Miles Flint 06 - Kallisto
preisgeben, als sie bereits preisgegeben hatte.
Sie hockte auf der Couch, das Kinn aufs Knie gestützt, und ihre Finger spielten mit dem Fersenteil ihrer Schuhe.
Sie hatte diese Anwältin engagiert, wusste aber nicht recht, ob das eine gute Entscheidung gewesen war. Celestine Gonzalez. Sie war nicht so exotisch, wie Talia angenommen hatte. Talia hatte irgendwie geglaubt, eine Frau, deren Name sie als himmlisch auswies, müsse schöner sein oder zumindest ungewöhnlich aussehen. Aber das tat sie nicht. Sie hatte schwarze Augen, schwarze Haare und dunkle Haut, und das Einzige, was sie von all den Frauen im Valhalla Basin mit ihren schwarzen Augen, ihren schwarzen Haaren und ihrer dunklen Haut unterschied, war ihre Kleidung.
Die war wunderschön. Das Gewebe weich und seidig, die Farben kräftiger als alles, was Talia je gesehen hatte. Sie hätte die Bluse am liebsten angefasst, aber sie hatte es nicht getan. Statt dessen hatte sie einfach so getan, als interessiere sie das alles nicht.
Sie wollte nicht, dass irgend jemand merkte, wie es ihr wirklich erging. Wie verängstigt sie wirklich war.
Die Anwältin hatte sie jetzt schon genug bevormundet.
Talia hatte den Ausdruck in ihren Augen gesehen, als Zagrando sie zu ihr gebracht hatte. Die Gonzalez hatte mit einem Kind gerechnet, mit jemandem, den sie manipulieren konnte.
Sie war überrascht gewesen, als Talia vor ihr gestanden hatte.
Und die Frau machte immer wieder Fehler, die Talia mit Sorge erfüllten. Sie fürchtete, die Frau könnte auch bei ihrer Vertretung Fehler begehen, all dieses zuversichtliche Gerede darüber, ihre Mutter zu finden, all diese Hinweise auf die Gesetze der Allianz und die von Armstrong und schließlich all die Ausflüchte, nur um die eigentliche Frage zu umgehen: Welchen rechtlichen Status besaß Talia nun, da klar war, dass sie nicht das echte Kind ihrer Mutter war?
Sie war geschaffen worden, nicht geboren. Sie war ein Wesen, das von dem wahren Kind abstammte, aber sie war nicht dieses wahre Kind.
Anwältin Gonzalez hatte diese Fragen nicht beantwortet. Sie hatte kaum zu erkennen gegeben, ob sie sie überhaupt wahrgenommen hatte.
Talia zupfte an einem lockeren Stück Plastik an der Seite ihres rechten Schuhs. Das Plastikteil löste sich und ließ ein Loch zurück. Sie bohrte den rechten Zeigefinger hinein, berührte die Seite ihres Fußes.
Ihre Mutter hätte sie angebrüllt, weil sie den Schuh kaputtgemacht hatte. Aber ihre Mutter war nicht hier.
Celestine Gonzalez glaubte, sie würde ihre Mutter zurückbekommen.
Talia war da nicht so sicher.
Außerdem hatte sie Gonzalez offiziell nicht deswegen angeheuert. Talia hatte sie aus diversen Gründen engagiert.
Erstens war das Versprechen, dass sie nach Hause würde zurückkehren dürfen, zu verlockend für Talia. Selbst wenn sie ein paar Tage mit dieser Anwältin zusammenleben musste. Damit käme sie zurecht. Immerhin wäre sie wieder in ihrem Zimmer, umgeben von ihren Sachen, und sollte ihre Mutter versuchen, Kontakt zu ihr aufzunehmen, würde sie es dort tun.
Zweitens wusste diese Gonzalez einiges. Von manchem wollte sie derzeit offenbar nichts erzählen. Waren sie aber erst in ihrem Haus, konnte Talia alles verfolgen, was sie tat. Selbst wenn sie mit ihrem eigenen Netzwerk arbeitete, hätte Talia doch die Möglichkeit, sich einzuhacken. Sie konnte alles Mögliche herausfinden, ohne dass die Gonzalez es je erfahren würde.
Drittens musste Talia sich so oder so mit der Gonzalez auseinandersetzen. Wenn diese Frau sich mit der Entführung ihrer Mutter befasste – wenn sie versuchte, die Polizei anzutreiben, versuchte, Aleyd aus der Sache herauszuhalten –, dann war es sinnvoll, sie zu engagieren. So würden nicht gleich zwei Anwälte die Polizei ärgern, sondern nur einer. Und Talia würde erfahren, was los war. Gab es zwei Anwälte, bestand die Gefahr, dass der falsche die wirklichen Fortschritte machte, und Talia würde nichts davon wissen.
Und schließlich wollte Talia keinen einheimischen Anwalt engagieren. Die meisten Anwälte im Valhalla Basin arbeiteten entweder für Aleyd oder sie hatten in der Vergangenheit für sie gearbeitet, oder, zumindest einer Seite zufolge, die sie sich angesehen hatte, sie waren nicht gut genug, um vom größten Arbeitgeber der Kuppel engagiert zu werden.
Ein Anwalt aus Armstrong musste, wie schlecht er auch sein mochte, immer noch besser sein als ein von Aleyd verdorbener Anwalt oder einer, der nicht einmal gut genug war, verdorben zu
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