Miles Flint 06 - Kallisto
schön. Sollten sie Rache an Aleyd üben, schön. Das hat alles nichts mit mir zu tun.«
»Es hat alles mit Ihnen zu tun«, gab sie zurück. »Bis Sie mich gefunden haben, war der Fall bedeutungslos.«
Er grinste. Ein bösartiges Grinsen. »Ich habe Neuigkeiten für Sie, Gnädigste. Ich habe Sie nicht gefunden. Ich habe Sie nur beschafft.«
Dann wandte er sich ab. Sie zog die Stirn kraus, als sie versuchte, zu verstehen, was er meinte.
Und als sie das tat, stöhnte sie.
Sie hatte die Sache nicht zu Ende gedacht; wenn irgend jemand sie gefunden hatte, dann hatten sie die anderen womöglich auch gefunden. Talia war als Nummer sechs gekennzeichnet. Der Beschaffer selbst hatte das erwähnt, als er Rhonda entführt hatte.
Was bedeutete, dass sie nach den anderen fünf suchen würden.
Rhonda hatte die Vernichtung der Reproduktionsunterlagen persönlich überwacht – niemand würde jemals erfahren, wie diese Klone entstanden waren.
Talia hatten sie nicht mitgenommen. Aber bei einigen der früheren Klone waren die Nummern schwerer aufzufinden. Einige dieser Mädchen waren nur schwer von Emmeline zu unterscheiden.
Und dann war da noch Emmeline.
Rhonda schloss die Augen.
Sie hatte geglaubt, ihre Tochter wäre in Sicherheit, obwohl sie es nicht war. Rhonda hatte geglaubt, niemand wäre je imstande herauszufinden, was sie getan hatte.
Aber was, wenn sie sich geirrt hatte?
Was, wenn sie Emmeline fanden?
Sie würden sie vernichten – so wie Rhonda ihre Kinder vernichtet hatte.
Nur dass es noch schlimmer wäre.
Emmeline war alt genug, alles zu spüren. Alt genug, sich an alles zu erinnern.
Alt genug, um für ihr Überleben zu kämpfen – was es auch kostete.
39
Z u Flints Verwunderung befanden sich die Büroräume von Oberholst, Martinez und Mlsnavek in einem alten Gebäude, nicht weit von der Universität entfernt. Je näher er der Kanzlei kam, desto deutlicher erkannte er, dass sie in einem Gebäude untergebracht war, das einmal Teil der Universität gewesen war – Teil der juristischen Fakultät, soweit er sich richtig erinnerte.
Das Gebäude selbst sah aus wie ein Haus, das an ein anderes angeschlossen war. Ein Gehweg führte zu beiden Seiten an dem Haus vorbei und zu einem anderen Gebäudeteil, einer Konstruktion, die als Tageslichtparterre bezeichnet wurde, ein architektonischer Begriff von der Erde, der hier im Grunde nicht anwendbar war.
Echtes Tageslicht gab es nur, wenn es nicht von der Kuppel gefiltert wurde. Kuppeltageslicht stammte manchmal von der Sonne und manchmal – in den Wochen, in denen der Mond im Erdschatten lag – von einer Art Tageslichtsimulation innerhalb der Kuppel.
Er hatte keine Vorstellung davon gehabt, was echtes Tageslicht war, bis er vor einigen Jahren zum ersten Mal die Erde besucht hatte.
Der Eingang zu dem Gebäude befand sich auf der Seite des Tageslichtparterres, also musste er erst um das Gebäude herumgehen, ehe er es betreten konnte. Er nahm an, das begrenzte automatisch die Anzahl der Zufallsklienten, mit denen sich die Kanzlei anderenfalls schon in Anbetracht der Nähe zur Universität von Armstrong hätte herumschlagen müssen.
Trotz allem war er, als er eintrat, überrascht, sich einem menschlichen Empfangsmitarbeiter gegenüberzusehen, einem Mann, größer als Flint, dessen Muskeln nur modifiziert sein konnten. Muskeln, für die vermutlich niemand einen passenden Anzug entwerfen konnte. Der Empfangschef sah aus, als hätte man ihn in seinen Anzug gewaltsam hineingestopft.
»Termin?«, fragte der Mann grußlos.
»Mein Name ist Flint. Ich möchte Martin Oberholst sprechen.«
»Mr. Oberholst hat sich schon vor ein paar Jahren zur Ruhe gesetzt. Vielleicht können wir für Sie an einem anderen Tag einen Termin bei einem der anderen Teilhaber vereinbaren.«
»Das dürfte keinen Sinn haben«, sagte Flint. »Mr. Oberholst hat meine Frau in einem Fall vertreten. Ich muss mit ihm über einen Hinweis sprechen, der gerade erst aufgetaucht ist.«
»Wie ich schon sagte, Mr. Oberholst praktiziert nicht mehr. Wenn ich vorschlagen …«
»Mr. Oberholst ist die einzige Person, mit der ich sprechen werde«, blaffte Flint. »Er ist die einzige Person, die sich wirklich mit dem Fall auskennt. Da Sie sich recht zurückhaltend äußern, werde ich wohl davon ausgehen müssen, dass Mr. Oberholst immer noch ein aktiver Partner in der Kanzlei ist. Er wird an dem, was ich ihm zu sagen habe, interessiert sein. Diese Angelegenheit könnte sogar für die ganze Kanzlei von
Weitere Kostenlose Bücher