Miles Flint 06 - Kallisto
das Stichwort verstehen.
Er lehnte den Kopf zurück und musterte sie mit halb geschlossenen Augen.
»Es gibt keinen Grund, sie von Kallisto wegzubringen«, sagte Gonzalez.
Nun richtete er sich zu voller Größe auf. »Woher wissen Sie, dass man sie von Kallisto weggebracht hat?«
»Ich weiß es nicht mit Sicherheit. Aber in einer so engmaschig überwachten Umgebung wäre das eine logische Vorgehensweise. Nach allem, was ich über das Valhalla Basin weiß, beschränkt sich die hiesige Kriminalität entweder auf geringfügige oder häusliche Angelegenheiten. Eine Entführung ist weder geringfügig noch häuslich, soweit es dabei nicht um Kinder geht. Aber das Shindo-Kind ist noch hier. Die Frau ist diejenige, die vermisst wird. Wenn Aleyd sie für irgend etwas hätte bestrafen wollen, so hätten sie das intern getan. Verdammt, wahrscheinlich hätten sie sie einfach gefeuert und davongejagt. Also, was immer passiert ist, es geschah von außen. Lud ich wette, es hat etwas mit was auch immer sie überhaupt nach Kallisto geführt hat zu tun.«
Zagrando studierte Gonzalez, als hätte er sie bisher gar nicht wirklich wahrgenommen. Derweil hoffte sie, dass sie nicht schon zu viel gesagt hatte.
»Es könnte eine häusliche Angelegenheit sein«, sagte Zagrando. »Immerhin gibt es da auch noch einen Vater.«
»Einen Vater, der nicht auf dem Kallisto lebt«, konterte Gonzalez. »Womit wir wieder bei meinem Ausgangspunkt wären. Was immer heute passiert ist, das Motiv liegt nicht auf dieser Welt.«
Er starrte sie immer noch an, nahm aber eine aufrechtere Position an, so, als hätte er sich soeben zu einem Entschluss durchgerungen.
Dann, endlich, sagte er: »Sie werden die Unterstützung eines einheimischen Juristen benötigen. Allein können Sie das nicht schaffen.«
»Was, genau, ist das?«, wollte Gonzalez wissen. »Ich habe keine Ahnung, womit ich es zu tun habe, und dabei wird es bleiben, solange ich keine Akteneinsicht erhalte.«
»Aber ich weiß, womit Sie es zu tun haben. Sie mögen eine einstweilige Erlaubnis haben, hier tätig zu werden, aber gegen Aleyd können Sie damit nichts ausrichten.«
»Mir ist nicht ganz klar, warum Sie meinen, ich müsste mich mit Aleyd auseinandersetzen«, erwiderte Gonzalez.
»Weil«, sagte er leise, »sie Anspruch auf die Vormundschaft für Talia erheben.«
Gonzalez erschrak. Sie hatte noch nie gehört, dass ein Unternehmen die Vormundschaft für anderer Leute Kinder übernahm.
»Und wenn sie das tun«, fuhr er fort, »wird sie diese Woche nicht überleben.«
»Sie werden sie töten?«, fragte Gonzalez. »Aber Sie haben doch gewiss nicht das Recht, so etwas zu tun, nicht einmal in einer Unternehmensansiedlung.«
»Verstehen Sie jetzt, warum Sie Hilfe brauchen? Ich fürchte nämlich, sie haben jedes Recht, das sie brauchen.« Er strich sich mit den Fingern durch das dünner werdende Haar. »Und Sie sind hier weit überfordert.«
»Ich habe Unterstützung«, sagte sie.
»Von hier?«
Sie schüttelte den Kopf, war aber nicht bereit, ihm von Oberholst zu erzählen. Das war etwas, das sie jetzt noch nicht verraten wollte.
»Sie brauchen jemanden von hier.«
»Das habe ich verstanden. Können Sie mir jemanden empfehlen?«
»Das ist nicht mein Job«, sagte er. »Und es kollidiert sogar mit allem, was ich für das Valhalla Basin zu tun habe. Aber vielleicht sollten Sie mal mit einem alten Freund von mir reden. Sein Name ist Hakim Olaniyan. Er war Leiter der Rechtsabteilung von Aleyd, Kallisto.«
»Er war?«
»Hat sich früh zur Ruhe gesetzt«, antwortete Zagrando.
»Ist das normal?«
»Bei Leuten, die nicht mehr an das glauben können, was sie tun, schon.«
»Das soll wohl heißen, dass er einen Groll hegt.«
»Mehr als das«, entgegnete Zagrando. »Und er verfügt über besondere Kenntnisse.«
Sie reagierte nicht auf seine Worte. Sie musste Hakim erst überprüfen. Aber vor allem musste sie Talia finden.
»Gewähren Sie mir Akteneinsicht?«, fragte Gonzalez.
»Sprechen Sie mit Hakim?«
»Ja«, sagte sie, obwohl sie nicht sicher war, ob sich das am Ende als Lüge erweisen würde.
»Dann kann ich Ihnen eine einstweilige Freigabe zur Akteneinsicht gewähren. Sie können die Daten nicht herunterladen. Sie können sie nur in diesem Raum lesen.«
»Und Talia?«
»Sie wird Sie aufsuchen«, antwortete er.
35
D ie Tür zur Brücke wurde geöffnet. Yu schüttelte den Kopf und betrachtete die Konsole vor ihm. Noch immer keine Antwort aus dem medizinischen
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