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Milliardengrab (German Edition)

Milliardengrab (German Edition)

Titel: Milliardengrab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Strassegger
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ihre
Beamten nicht damals hier gewesen wären.«

Genf - Sommer 1991
    Notairé
Jaques Bouvery entstieg dem Intercity aus Bern kurz nach acht und war guter
Dinge. Dabei kam ihm der geflügelte Spruch in den Sinn: Ein Mann kommt mit dem
Zug aus Zürich in Genf an, verlässt den Bahnhof und das Erste, was er tut ist,
seine Rückfahrkarte wegwerfen! Das biedere, spießbürgerliche Zürich und das
weltoffene Genf der Calvinisten, welch ein Kontrast!
    Der
Tag in der Hauptstadt war erfolgreich gewesen und er freute sich auf das
Abendessen am Seeufer mit seiner Frau Claire. Der milde Sommertag versprach
einen angenehmen Abend auf der Seeterrasse. Wenn das Wetter hielt, würde er am
Sonntag auf seiner Riva mit ihr nach Versoix schippern. Claire, die er vor
beinahe fünfzig Jahren geehelicht hatte, liebte er noch wie zu jener Zeit. Sie
war an diesem Tag fünfundsechzig geworden.
    Wie
gewohnt legte er den Weg zu seiner Villa zu Fuß zurück. Es war noch hell. Der
Freitagabendverkehr ebbte ab. Die Wochenendstimmung breitete sich in der Stadt
aus. Er verließ den Gare Cornavin und spazierte die Rue de Lausanne in Richtung
Osten. Als er die Avenue de France überquerte, war er noch zweihundert Meter
von seiner Villa entfernt. Die beiden Jogger mit ihren tief ins Gesicht
gezogenen Mützen machten den Eindruck, als ob sie ihm am Trottoir Platz machen
würden. Der Maître nickte dankend und ging geradeaus weiter. Den Kastenwagen,
der in diesem Augenblick am Bordstein hielt, registrierte der Anwalt noch, dann
lief alles wie im Zeitraffer ab.
    Jaques
Bouvery wusste sofort: Er war gekidnappt worden. Der Realist rechnete
überschlagweise, wie viel an Lösegeld er flüssigmachen konnte. Es war eine
stattliche Summe, um die er vorsorglich trauerte. Die Hoffnung, dass der Betrag
seine Entführer zufriedenstellen würde, überwog den Schmerz des bevorstehenden
Verlustes. Er verschwendete keinen Gedanken an Gegenwehr. Er war Notar, kein
Abenteurer und überdies kein Tölpel.
    Der
kleine Einstich im linken Oberarm löste ein warmes Feuerwerk in seinem Kopf
aus. Dann umfing ihn schlagartig barmherzige Bewusstlosigkeit. Inzwischen war
es dunkel geworden. Der Jumper mit französischem Kennzeichen fuhr einige
Kilometer in Richtung Flughafen, bog vor Contrin links ab und hielt paar
hundert Meter weiter an einer weitgestreckten, einstöckigen Lagerhalle im Gewerbegebiet
von Meyrin zwischen dem Flughafen und der französischen Grenze.
    All
das wusste der Notar nicht, als er auf einem Lehnstuhl sitzend erwachte. Nur
den typisch modrigen Geruch eines Kellers, der lange Zeit nicht gelüftet worden
war, registrierte er. Der Raum lag im Halbdunkel. Direkt über ihm verbreitete
eine nackte Glühbirne kaltes Licht. Er konnte die anderen Personen im Raum
nicht sehen. Letzteres wäre ihm ohne seine Brille, die er seit seiner
Entführung nicht mehr besaß, ohnehin nicht gelungen.
    Als
ob die Unbekannten seine Gedanken erraten hätten, trat jemand von hinten an den
Stuhl und setzte ihm seine Brille vorsichtig auf die Nase. Jetzt erkannte der
Notar, dass der Boden aus festgestampfter Erde bestand.
    Eine
scheinbar besorgte männliche Stimme erkundigte sich aus dem Dunklen: »Herr
Notar, sind Sie verletzt?«
    Die
Stimme gehörte dem Dandy, doch das konnte Bouvery nicht wissen. Er schüttelte
den Kopf.
    »Ich
bedaure Ihre Lage, doch es ist bald vorbei. Kann ich etwas für Sie tun?«
    Der
Notar nickte leicht und bat mit unsicherer Stimme:
    »Kann
ich ein Glas Wasser bekommen?«
    »Selbstverständlich.
Das trockene Empfinden im Gaumen ist leider eine Folge des Betäubungsmittels.
Es ist absolut harmlos, diesbezüglich können Sie völlig unbesorgt sein,
Maître!« Er bekam das Wasser. Bouvery trank mit gierigen Schlucken und fühlte
sich danach wenigstens physisch besser. Er zog es vor nicht zu fragen, sondern
auf die Wünsche des Unbekannten zu warten. Die Trauer um das verlorene Vermögen
war einer Angst gewichen, einer Angst, wie er sie noch nie verspürt hatte.
Niemals war dem Maître Geld gleichgültig gewesen. Jetzt, angesichts der
Todesangst, war das gesamte Vermögen, das er jemals besessen hatte, absolut
unwichtig. Leben, nur überleben wollte er.
    Die
offensichtliche Freundlichkeit des Unbekannten beunruhigte ihn. Diese Sprache
passte nicht zu den Ereignissen der letzten Stunden.
    »Geht
es wieder? Das Unwohlsein wird in wenigen Minuten vorbei sein. Sie werden
keinerlei Nachwehen spüren. Können wir sonst etwas für Sie tun?«, erkundigte sich
dieselbe

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