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Milliardengrab (German Edition)

Milliardengrab (German Edition)

Titel: Milliardengrab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Strassegger
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Stimme. Der Notar schwieg.
    »Sind
Sie in der Lage mir zu folgen oder möchten Sie noch warten?« Die Höflichkeit,
mit der man den Notar in dieser prekären Lage behandelte, war übertrieben und
fehl am Platz. Bouvery empfand diesen Umgang in Anbetracht der Umstände zu
Recht als Spott.
    Er
antwortete: »Danke, bitte sprechen Sie.«
    Die
Stimme aus dem Hintergrund räusperte sich, bevor sie sprach. »Ich möchte vorab
feststellen, dass meine Vorgesetzten nichts von Ihnen persönlich erwarten. Auch
will ich Sie nicht darüber im Unklaren lassen, dass Sie eine Woche in unserer
Hand sein werden. Wenn Sie unsere Anweisungen befolgen und nicht irgendwelche
Dummheiten versuchen, werden Sie in acht Tagen wieder unversehrt in ihrem
Notariat sitzen. Das ist ein Versprechen.«
    Der
Mann legte eine Pause ein. Bouvery zog es vor, weiterhin nicht zu fragen,
sondern wartete auf die Forderungen der Verbrecher. Nebenbei versuchte er den
Wert eines Versprechens einzuschätzen, das Kidnapper gaben. Der Jurist hatte
sich gefasst, soweit das unter diesen Umständen möglich war. Keinesfalls war er
bereit sich zu erniedrigen - was immer auf ihn zukommen sollte. Dass sich die
Entführer nicht zeigten, wertete er als ein günstiges Omen. Man hatte
offensichtlich nicht vor, ihn zu töten. Der Unbekannte fuhr fort.
    »Sie
verwahren in Ihrer Kanzlei Umschläge für die Physikalische Gesellschaft in
Berlin. Sie werden uns diese Umschläge heute aushändigen - das ist alles.«
    Zwei
Jahre lang hatte der Notar sich vor so einem Augenblick gefürchtet, dann war
die Mauer in Berlin gefallen und er hatte angenommen, dass keinerlei Gefahr
mehr bestand. Auch das Treffen mit Fiedler in Zürich war folgenlos geblieben.
Seitdem verfolgte er den Rechtsstreit in Berlin aufmerksam. Sobald dort eine
rechtskräftige Entscheidung gefallen war, wollte er die Unterlagen den Rechtsnachfolgern
übergeben. Und jetzt das. Die Erkenntnis, dass mit Geld nichts auszurichten
war, traf ihn wie ein Schlag. Er mochte den Gedanken nicht zu Ende denken, ihm
graute vor dem Ergebnis. Der Notar atmete tief durch. Selbstverständlich war
ihm klar, wer sich hinter dem Namen dieser Gesellschaft verbarg. Das ehemalige
Ministerium für Staatssicherheit in Ost-Berlin. Und welchen Herren seine
Entführer dienten, das bedurfte keines komplizierten Denkprozesses. Die DDR gab
es nicht mehr, die Wiedervereinigung war vor mehr als einem halben Jahr
gewesen, aber Bouvery wusste über die Folgen genau Bescheid, falls er die
Umschläge an Unbefugte herausgab. Dieser Mann, der sich so verbindlich gab, er
jedenfalls gehörte mit Sicherheit nicht zu den Befugten. Für die Herausgabe war
ein exakt abgesprochenes Procedere vorgesehen - und das sah fraglos anders aus
als diese Gewaltaktion.
    Für
den Notar ging es nicht um materielle Werte, für ihn stand mehr auf dem Spiel.
Diese Leute zögerten nicht jemanden, ohne Federlesens zu exekutieren. Bouvery
hatte mit Gewalttätern keinerlei Erfahrung, geschweige denn, dass er sich gegen
sie wehren konnte. Er war alles andere als ein Held, ja, er las nicht einmal
Geschichten über Helden, geschweige denn, dass er Ambitionen hatte, selbst
jemals einer zu werden.
    Es
konnte nicht mehr lange dauern und die Suche nach ihm musste beginnen. Claire
war vermutlich bereits jetzt bei der Polizei und meldete sein Verschwinden. Sie
war mit der Frau des Polizeipräsidenten befreundet und der würde behilflich
sein. »Das wird nicht möglich sein, die Unterlagen liegen in einem Banktresor.
Erst am Montag kann ich in die Bank. Der Notar hatte seine Gegner unterschätzt,
sie waren bestens informiert.
    »Herr
Notar«, die Stimme des Mannes im Hintergrund klang eher mitleidig als
ärgerlich.
    »Die
Unterlagen, über die wir sprechen, befinden sich im Tresor in Ihrem Büro in der
Rue des Rois. Ich ersuche Sie in Ihrem ureigensten Interesse, solche Dinge zu
unterlassen. Das könnte zu folgenschweren Missverständnissen führen und das
möchten wir doch beide nicht, oder?«
    Der
Notar nickte hilflos, während er verzweifelt nach einem Ausweg aus seinem
Dilemma suchte.
    »Also?«
    »Mir
bleibt wohl keine Wahl«, sagte der Notar resignierend.
    »Gut,
dann gehen wir. Ach, zuvor möchte ich Ihnen noch etwas zeigen. Bitte haben Sie
noch einen Moment Geduld.«
    Einige
Meter vor Bouvery begann ein Bildschirm zu flimmern. Nach ein paar Sekunden
erschien ein Bild. Bouvery nahm seine Brille kurz ab und wischte sich mit dem
Handrücken über die Augen. Jetzt konnte er das Bild auf

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