Milliardengrab (German Edition)
Alarm auszulösen, das wollte er keinesfalls riskieren.
Die Männer trugen Schuhe mit Gummi- oder Kunststoffsohlen. Man hörte ihre Schritte
auf dem polierten Granit nicht. Sie sprachen kaum miteinander und gaben ihm
lediglich knappe Anweisungen. Einer von Ihnen hatte einen Akzent, vermutlich
Russisch, tippte der Notar.
»Wenn
Sie versuchen, uns zu betrügen und irgendeinen Alarm auslösen, werden weder Sie
noch ihre Frau überleben. Wir unter Umständen übrigens auch nicht. Sie aber mit
Sicherheit nicht!«
Die
Stimme des Unbekannten war steif wie der Kragen eines katholischen Pfaffen und
mit den Freundlichkeiten war es offensichtlich vorbei. Bouvery tat alles, was
man von ihm verlangte. Endlich war die schwere Stahltür des mannshohen
Panzerschrankes offen. Die Männer fanden, wonach sie gesucht hatten. Der Notar
hatte genau beschrieben, wo sich die inkriminierten Umschläge befanden. »Haben
Sie noch etwas anderes aus Berlin in Verwahrung?«, erkundigte sich einer der
Männer.
»Nein,
ich beschwöre es! Sie können alles durchsuchen. Es gibt noch einen Ordner mit
Korrespondenz, die Handakte ist im Nebenzimmer. Dort drüben in dem
Aktenschrank.«
Einen
Moment herrschte Stille, dann entschied einer der Männer:: »Wir nehmen das Zeug
mit.« Der Inhalt des Ordners verschwand in der Plastiktüte, in der sich bereits
die Umschläge aus dem Tresor befanden. Den leeren Ordner stellten sie zurück in
das Ablagefach.
Bevor
sie das Büro verließen, forderten sie ihn auf, eine kurze Mitteilung an Madame
Couvre, seine Kanzleileiterin, zu richten. Er sei mit seiner Frau an die Côte
d’Azur gefahren und erst am nächsten Montag wieder in der Kanzlei. Einige
Termine möge sie verschieben. Dazu durfte er die dunkle Brille abnehmen und die
eigene aufsetzen. Die Männer konnte er nicht sehen, sie standen stets außerhalb
seines Blickwinkels. Trotzdem schrieb er exakt das, was sie von ihm verlangten.
In diesem Augenblick hoffte er, dass die Sache glimpflich enden würde.
Nachdem
er die Notiz zur Zufriedenheit seiner Häscher verfasst hatte, setzten sie ihm
die schwarze Brille neuerlich auf. Als der Notar und seine Bewacher das Büro
verließen, war optisch alles, wie zuvor, nichts wies, auf die nächtliche
Stippvisite hin - bis auf die kurze Notiz. Die ganze Aktion hatte keine
Viertelstunde in Anspruch genommen, dann saß der nun doch gedemütigte Bouvery
wieder im Wagen seiner Kidnapper.
»Ihre
Bankkarte bitte«, verlangte einer der Männer, es war der mit dem Akzent.
»Alle?«
»Nein,
nur jene, die Sie üblicherweise privat verwenden.«
Der
Notar holte seine Brieftasche aus dem Sakko und übergab seinem Entführer seine
UBS-Bankkarte. Dazu hatte er die schwarze Brille kurz angehoben. Er konnte
jedoch nichts von Bedeutung ausmachen. Nur das Portal des Baur au Lac am Quai
du Mont Blanc, meinte er zu erkennen.
»Den
Code bitte!«
»4711.«
»Keine
Späße, ich fürchte, jetzt ist nicht die Zeit dafür.«
»Es
ist der Code«, beharrte Bouvery.
Nach
ein paar Hundert Metern hielt der Wagen und einer der Männer stieg aus. Nach
wenigen Minuten kam er zurück und flüsterte dem Fahrer etwas zu. Der schwere
Citroen setzte sich wieder in Bewegung. Keine halbe Stunde später betrat der
Notar erneut den modrigen Kellerraum. Man gestattete ihm die dunkle Brille
abzunehmen, die seine aufzusetzen und wies ihn an, wieder auf dem Stuhl Platz
zu nehmen. Widerspruchslos führte der Notar die Anweisungen aus. Ungelenk wie
ein Roboter bewegte er sich durch den düsteren Keller.
»Bitte,
kann ich mit meiner Frau sprechen? Ich habe alle Ihre Wünsche erfüllt, sie hat
heute Geburtstag. Ein paar Sätze nur, ich möchte sie ein bisschen beruhigen,
ihr Herz!«
Der
Notar fragte nicht, er bat inständig. Seine Frau litt an einem Herzfehler,
schon, wenn er sie sehen würde, dass sie lebte und gesund war, wäre es für ihn
eine Erleichterung. Ohne es zu wollen, schweiften seine Gedanken zurück zu
jenem Tag, an dem er sie zum ersten Mal gesehen hatte.
Die
sonore Stimme, die schon vorhin zu ihm gesprochen hatte, war freundlich und
klang beruhigend: »Selbstverständlich, ein paar Minuten Geduld bitte. Bleiben
Sie kurz sitzen. Ich stehe nicht an, mich bei Ihnen zu bedanken, weil Sie
wirklich kooperativ waren. Ich bin nur ein Befehlsempfänger und mir gefällt
nicht immer, was mir befohlen wird. Möchten Sie noch etwas trinken?«, legte der
Höfliche noch nach, der so den Anschein erweckte, um das Wohlergehen seines
Gastes besorgt zu
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