Millionär
wissen, wie sie mit mir umgehen sollen. Vor zwei Jahren, da war ich halt noch T-Punkt-Verkäufer UND Simon Peters. Jetzt bin ich nur noch Simon Peters und das scheint alle zu irritieren. Who the fuck is Simon Peters? Warum wirft er nicht mehr mit Geld um sich? Und so empfindlich isser geworden, seit er keinen Job mehr hat! Was Freundschaft mit Geld zu tun hat? Eine ganze Menge, leider: Restaurantbesuche, Urlaube, Wohnen ... am Ende des Tages dreht sich alles immer ums Geld. Als ich noch Kohle hatte - na ja, sagen wir ... als ich noch einen höheren Dispo hatte, da war alles viel einfacher, für mich und für meine Freunde: hier 'ne Runde ausgegeben, dort in den Urlaub fahren und alle zwölf Monate das neueste Handy, DAS war der Simon Peters, den man greifen konnte, dem man auch mal einen Spruch stecken konnte, da wusste man, woran man war. Aber jetzt? Unsicherheit, Mitleid, unangebrachte Hilfe! Manchmal komme ich mir vor wie im Rollstuhl: Sozialfall Simon Peters, durch einen tragischen Unfall von der Geldbörse an gelähmt. Schlimmer noch als die schlichtweg nicht vorhandene Kohle ist die ganze Statuskiste, was mir schlagartig klar wird, als mich die sicher mehrere tausend Euro teure Glitzer-Breitling von Nelkenjakobs Handgelenk anfunkelt. »Sorry nochmal wegen dem Tisch«, entschuldige ich mich bei ihm, als sei ich wegen der hochwertigen Uhr in irgendeiner Form niedriger gestellt, »aber wir kriegen bestimmt einen Platz, wenn Leute gehen. Ich frag nochmal .«
»Ich regel das mal«, bremst Nelkenjakob mich aus und winkt in seinem Hugo-Anzug selbstbewusst einem der GauchoKellner.
Eine Minute später werden wir zu einem schönen Ecktisch gebracht und bekommen die Speisekarten gereicht. Ein schöner
Ecktisch dank teurem Anzug. Das Autohaus-Prinzip. Ich hätte es wissen müssen. Aber soll ich deswegen vier Wochen lang in meinem letzten passenden Anzug rumlaufen? Ich kann mich kaum auf meine Speisekarte konzentrieren, weil am Nebentisch eine Gruppe überstylter Business-Elsen schnattert. Man kann gar nicht anders als hinhören.
»Billig-Touristen sollte man erst gar nicht mehr nach Soho lassen«, empört sich eine laute und überschminkte Blondine im blauen Pullover. Die anderen Geschäftshühner stimmen ihr zu, am besten sei doch, man sperre gleich ganz Manhattan. Eine Trulla mit rötlicher Helmfrisur und breitem Mund hat ein Salatblatt aufgepickt, macht aber keine Anstalten es zu essen, sondern schnattert einfach weiter. Wenn die noch eine Fliegerbrille aufhätte, würde sie glatt als der verrückte Jambafrosch durchgehen. Überhaupt - wenn man genau hinschaut, sieht der ganze Tisch aus wie der wöchentliche Treff shoppingsüchtiger Botox-Opfer. Besonders das Gesicht einer kichernden Riesenblondine erinnert mich an eine auf Mach 2 beschleunigte Schildkröte in 'ner NASA-Zentrifuge.
»Alles gut, Simon?«, fragt mich Paula.
»Alles wunderbar!«, lüge ich und schaue wieder in meine Karte.
Als ich die Preise der Hauptgerichte auf meiner Speisekarte sehe, halte ich die Luft an. Das billigste Steak kostet 13 Euro 50! Ohne Beilagen und ohne Getränke. Panisch wandern meine Augen über die argentinischen Spezialitäten. Wohin ich auch blättere, es ist kaum ein einstelliges Gericht dabei. Nach dreimaliger Durchsicht der Karte ist sicher: Meine Kohle reicht gerade mal für die pikanten Champignons in Knoblauchsauce und das kleine Kölsch, das ich schon fast ausgetrunken habe. Ich hebe den Blick und sehe, dass Phil als Einziger nicht in der Karte blättert, sondern sich stattdessen einen von Nelkenjakob gesponserten Zigarillo mit einem Gold-Zippo anzünden lässt. Die Dinger mögen ekelhaft sein, aber warum hat er mir keinen
angeboten? Weil ich eine drei Jahre alte Jeansjacke von H&M trage? Irgendwie könnte ich gerade aufstehen und nach Hause gehen.
»Weißt du schon, was du nimmst?«, frage ich Phil stattdessen.
»Was?«
Offenbar hat sich die Lautstärke meiner Stimme meinem Selbstbewusstsein angepasst.
»Weißt du, was du nimmst?«, wiederhole ich lauter.
»Klar«, lacht er, »Filetsteak Buenos Aires mit Salat Copaca-bana.«
»Copacabana? Ist das nicht ein Strand in Brasilien?«
»Is doch egal, Hauptsache lecker!«
Ich blättere in der Karte und finde Phils Steak: Gran Bife de Lomo »Buenos Aires« - 29 Euro - ohne Beilagen. Macht 39 mit seinem Ipanema-Grünzeug. Typisch Phil. Immer schön durch die Gegend prassen. Einziger Trost: Er hat auch keine Freundin.
»Und was isst du, Simon?«
»Weiß noch nicht,
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