Millionär
sondern muss was bieten und meinem Bürgerprotest an der Tourette-Kirche freien Lauf lassen.
Und noch während ich eine sechzehnjährige Göre mit iPod-Kopfhörern auf arabisch darüber aufkläre, dass Nächstenliebe nichts mit Lärm zu tun hat und Westhoff Müll redet auf seiner Kanzel (min ahlaa kaniisatihi junadii al-ahmiku ahib gairaka ma hatha min hubbin allathi jasruhu bisutin halalin wa jughisunaa fi naumina), klingelt es an meiner Tür und ich muss meinen Protest abbrechen. Es ist Zwirbeljupp, mein Vermieter. Auf seinen 70er-Jahre-Wollpollunder hat er sich heute einen hochroten Kopf gesteckt, seine gedrehten Bartspitzen zittern vor Wut.
»Saht ens, hat Ehr et Schoss erus?«
»Was hab ich raus?«
Ich nehme mein Megaphon nach unten.
»Et Schublädche! Ich hab hier jleich ein Wohnungsbesichti-jung nach der ander un Sie machen eine auf Jebetsscheich, dat jib et doch nit!«
Klar, Zwirbeljupp kann es kaum erwarten, mir einen dickbäuchigen Geschäftsmann über mein Wohnzimmer zu setzen, um mich endgültig aus meiner Wohnung und in den Wahnsinn zu treiben.
»Man wird doch mal einen Pfarrer beleidigen dürfen!«, verteidige ich mich.
»Suchen Se sich lieber mal en Arbeit!«, poltert Zwirbeljupp.
»Das IST Arbeit!«, protestiere ich, »bürgerliches Engagement! Und wenn Sie mal um eine Ecke denken würden: Ohne diesen Scheiß-Glockenturm könnten Sie hier glatt noch mehr Miete verlangen. Der mindert nämlich die Wohnqualität. Oder haben Sie allen Ernstes geglaubt, die Steffens nebenan ziehen wegen dem Baby aus?«
Offenbar knickt und knackt es kurz im Vermieterhirn, aber wohl nicht laut genug, sonst würde er mir eine Belohnung für den Hinweis zahlen, statt kopfschüttelnd die Stufen zur Eingangstür hinunterzustapfen, wo er dann dem ersten arschgesich-tigen SLK-Bonzen ein Hochglanzexpose der Wohnung zeigen wird, nur dass der mir dann eine Woche später auf der Nase herumstapft.
»Wer zieht denn da ein?«, schnarre ich meinem Vermieter über Megaphon hinterher.
Keine Antwort.
Ich gehe zurück in die Wohnung, um mich telefonisch bei Shahin zu entschuldigen. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass es besser wäre, in der Nähe meiner Wohnung zu bleiben.
»Shahin, sorry, ich kann nicht kommen heute, hier brennt die Hütte. Stell dir vor, mein Vermieter will mir irgendeine Flach-pfeife aufs Dach setzen. Ich kann jetzt unmöglich hier weg, verstehste?«
»Du bist Kunde Simon, du musst dich nicht krankmelden!«
»Danke. Kannst den Siebener also gerne für heute an jemand anderen vermieten. Wichtig wär mir nur, dass morgen alles wieder an seinem Platz ist.«
»Ich lese jetzt weiter, Bichareh.«
»Du sagst mir morgen, was das heißt, dieses Bitschareh!«
»Okay. Tschüss!«
Gut. Sehr gut sogar, denn jetzt hab ich Zeit zu verhindern, dass mir Zwirbeljupp irgendeinen Nelkenjakob ins Penthouse setzt. Ich gehe ins Wohnzimmer, lege eine Speed Metal CD in meine Anlage und drehe sie bis zum Anschlag auf. Dann krame ich ein paar alte Einwegspritzen aus einer Schublade, mit denen ich Druckerpatronen nachgefüllt habe, damals, als ich noch einen Drucker hatte. Ich ziehe ein wenig rote Tinte rein und verteile sie im Treppenhaus. Als Zwirbeljupp mit seinem Interessenten aus dem Penthouse kommt, liege ich bereits mit abgebundenem Oberarm und glasigem Blick im Flur. Ein sensationeller Erfolg, denn der Mann verlässt das Objekt eiligen Schrittes. Den zweiten Interessenten vergraule ich, indem ich meine beeindruckende Leergutsammlung in den Hausflur stelle. Dem dritten erzähle ich noch im Hausflur wie verdammt hellhörig hier alles ist, dass man schneller im Lotto gewinnt als einen Parkplatz vor dem Haus kriegt und dass das Penthouse ja schon geil wäre, wenn man das mit der Feuchtigkeit endlich in den Griff bekäme. Gute zehn Minuten später klingeln zeitgleich Handy und Türglocke. Für den Hauch einer Sekunde überfordert, entscheide ich mich dafür, zunächst die Wohnungstür zu öffnen und danach ans Handy zu gehen. Es ist Herr Wellberg. Ich bitte ihn rein und drücke auf die grüne Sprechtaste meines Handys.
»Ja?«
»Herr Peters?«, säuselt eine Damenstimme.
»Ja?!«
»Agentur Cayenne, Düsseldorf. Sie hatten eine Mail an unseren Kunden Rocher geschickt und sich über unseren >Time for Gold<-Spot beschwert?«
»Das . ist - äh . richtig!«
Ich bitte Herrn Wellberg Platz zu nehmen. »Was genau hat Ihnen denn an diesem Spot nicht gefallen?«, flötet es aus meinem Handy. Ich schlucke und hab nicht die
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