Millionär
Minuten später hektisch meine Füße hochlegen werden und wie aufgescheuchte Hühner durch die Praxis rennen, um den Arzt zu holen. In Ohnmacht fallen ist übrigens gar nicht so schlecht. Ist so 'ne Art Blitz-Freitod für Feiglinge. Mit dem nicht zu verachtenden Vorteil natürlich, dass man nicht stirbt.
Ich schaue mich um und erkenne die kleine Behandlungswabe wieder, die ich vor wenigen Minuten mit einem leicht fluffigen Gefühl betreten habe. Neben der Arzthelferin steht ein hagerer Mann im weißen Kittel. Er hat kurze blondierte Haare, einen Ohrring und eine weiße Kunststoff-Brille. Ich nehme an, dass es sich hierbei um den von Paula empfohlenen Dr. Parisi handelt. Rein äußerlich könnte der Typ aber auch der Chef eines Berliner
Architektenbüros sein. Ich nehme all meine Kraft zusammen und forme mein von langer Hand geplantes Wort.
»Ich ...«
Die Arzthelferin und Dr. Parisi schauen mich erwartungsvoll an, doch es kommt nichts mehr. Dr. Parisi tritt noch ein wenig näher auf mich zu und lächelt.
»Er darf seinen Satz ruhig beenden ...«
Ich lächle zurück und sage:
»Ich . bin wieder da!«
Minuten später warte ich im Sprechzimmer und lasse meinen Blick schweifen. Mir fallen zwei Glasrahmen mit einer Art Foto-Collage auf. Sie zeigen Dr. Parisi mit Haube und Reagenzglas bei der Laborarbeit. Im Trockeneisnebel. Meine Güte, Paula, wo hast du mich da nur hingeschickt? Zum Gegenspieler von James Bond? Zu einem gefährlichen Kurpfuscher ohne Lizenz und Abitur? Ich blicke zum Bücherregal: Dort steht ein gelb grünes, medizinisches Wörterbuch, das große Lexikon der Medizinirrtümer und das Buch »Was hab ich bloß? Die besten Krankheiten der Welt«. Interessant! Vielleicht ist da ja eine neue für mich dabei. Die Tür fliegt auf, mein blondierter ArchitektenDoktor weht ins Zimmer, flattert hinter seinen Bildschirm und schaut angestrengt hinein. Viel kann nicht drinstehen im System, schließlich bin ich das erste Mal hier. Er klickt ein paar Mal auf seine Maus, dann dreht er sich mit einem Ruck zu mir, rückt seine weiße Brille zurecht und sagt:
»Entschuldigung, ich hab nur schnell noch was geguckt bei spiegel.de.«
Mein Puls schießt augenblicklich nach oben.
»Ist was passiert?«
Verwundert zieht Dr. Parisi eine Augenbraue nach oben.
»Was soll denn passiert sein?« »Irgendwas Großes, Bedrohliches. So was mit unfassbar vielen Toten, über das alle tagelang berichten danach!«
»Nein, nichts passiert.«
Erleichtert lehne ich mich zurück.
»Gott sei Dank!«
»Was führt ihn denn zu mir?«
Ich schaue mich im Sprechzimmer um.
»Wen?«
»Ihn. Also Sie!«
Okay. Das wäre dann wohl die kleine Merkwürdigkeit, auf die Paula hingewiesen hat. Ich ignoriere sie fürs Erste.
»Also hauptsächlich bin ich hier wegen meiner Ohrgeräusche und dem Augenzucken. Das Zucken kommt wann es will und ich kann's gar nicht kontrollieren. Dann habe ich noch Sodbrennen, Nasenbluten und Schlafstörungen.«
Dr. Parisi antwortet mit einem interessierten Nicken.
»Und ... was quält ihn am meisten?«
»Wen?«
»Sie!«
Ich überlege mir kurz Dr. Parisi vorzuschlagen selbst mal einen Kollegen aufzusuchen, verwerfe die Idee aber fürs Erste.
»Also am meisten quälen mich die Ohrgeräusche. Ich denke dann immer, ich wäre so ein Heizkörper, in den Wasser läuft.«
Mit einer Mischung aus Verwunderung und Mitleid werde ich gemustert.
»Er hört ein Plätschern und denkt, er wäre eine Heizung?«
»Genau!«
»Wie oft hört er die Geräusche?«
»Er hört sie unterschiedlich oft und unterschiedlich laut!«
Zwei fragende Ärzteaugen kreuzen meinen Blick.
»Wer?«
»Er! Also ich! Moment mal, ich dachte .«
»Schon klar, Entschuldigung, ich bin selbst ein wenig müde. Er soll ruhig fortfahren.«
»Okay. Außerdem ist er angespannt und lärmempfindlich. Das kleinste Geräusch macht ihn wahnsinnig und jetzt zieht noch eine reiche Riesentussi mit blonden Haaren und Stöckelschuhen über ihm ein. Da hat er Angst vor.«
»Verstehe. Hat er viel Stress?«
»Bestimmt.«
»Er erwähnte ein Schlafproblem. Kann er's präzisieren?«
Dieser Kittel-Clown bringt mich noch ganz durcheinander mit seiner Mittelalter-Grammatik!
»Äh. Ja. Also, er schläft gut ein, wacht aber immer auf und ist dann zwei bis drei Stunden wach! Kurz vorm Aufwachen schläft er dann aber wieder ein.«
»Und ... wenn er nachts aufwacht, bedrückt ihn da was?«
»Ja!«
»Verrät er mir, was es ist?«
»Er kriegt Panik, dass er nicht mehr
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