Millionär
Gespräche nicht aufgezeichnet werden. Ich hebe die zu lange erste Lage des Klopapiers um die Rolle und plötzlich passt die Perforation von Lage eins haargenau auf die von Lage zwei.
»Hier bin ich wieder. Entschuldigung!«, klingt es, diesmal beherrscht, aus dem Hörer, während auf meinem Fernseher der zweite Teil des Perfekten Dinners beginnt.
»Hat geklappt mit der Rolle«, sage ich, »die war einfach nur falsch aufgerollt. Danke.«
»Freut mich, wenn ich Ihren Abend retten konnte. Darf ich Sie kurz noch was Privates fragen?«
Ein wenig erschrocken rutsche ich auf meiner Couch herum. Was denn? Doch wohl hoffentlich nicht, ob ich bekloppt bin.
»Wenn es unbedingt sein muss .«
»Weil Sie doch in meiner alten Kölner Ecke wohnen. Ich hab mich gefragt ... gibt's den Kiosk in der Zülpicher Straße noch?«
Ich bin erleichtert und offenbar nicht bekloppt.
»Es gibt ungefähr 68 Kioske in der Zülpicher Straße.«
»Ich meine den kleinen mit dem ägyptischen Besitzer. Wo man drei kleine Falafel kaufen konnte für einen Euro.«
»Ja, den gibt's noch. Da bin ich selber noch ab und zu.«
»Ach, wie schön. Wenn Sie da mal zufällig vorbeikommen, würden Sie dem Aset schönen Gruß sagen, bitte?« »Von wem soll ich grüßen . ? Von Frau Kaspar wie der Kasper nur mit zwei a?«
»Von Annabelle. Die Studentin, die immer Ketchup auf die Falafel wollte, dann weiß er Bescheid.«
»Wo sitzen Sie denn, dass Sie nicht mehr selbst grüßen können? In Indien? China? Aufm Mond?«
»Mond ist schon nicht ganz so falsch. In Maastricht. Zwei Stunden von Köln. Bisschen weit zum Falafel-Holen.«
»Stimmt!«
»Haben Sie sonst irgendwelche Fragen, was unsere Produkte betrifft?«
»Ehrlich gesagt, nein.«
»Wunderbar, dann danke für Ihren Anruf und . wäre nett, wenn Sie den Gruß ausrichten.«
»Mach ich! Schicken Sie mir denn jetzt Toilettenpapier?«
Es tutet. Offensichtlich nicht. Aufgelegt.
Ich lege das Telefon zur Seite und starre hin zum Fernseher, in dem eine rothaarige Pharmareferentin gerade ein Mousse au chocolat mit einer Minze dekoriert. Es ist vollkommen still in der Wohnung, lediglich in meinen Ohr-Heizkörper wird wieder Flüssigkeit gepumpt. Kaspar wie der Kasper nur mit a.
Minuten später ruft Wellberg zurück. Ich setze ihn darüber in Kenntnis, was er sich da ins Haus holt. »Haben Sie sich das blondierte Monster mal genau angeguckt, diese XXL-Paris-Hilton? Ich sag Ihnen, die ist komplett wahnsinnig! Die dreht Ihnen das Haus auf links, so schnell können Sie gar nicht gucken!«
»Se meinen, de Frau Stähler pass nit in de Hausjemeinschaff?«
»Exakt! Ich bin froh, dass Sie das so schnell erkennen.«
»Un Se selbs passen da rein, meinen Se?«
»Ich BIN die Hausgemeinschaft! Denken Sie nur mal an die Aufkleber mit den Abfuhrtagen auf der Papiertonne. Das hab ich in die Wege geleitet!«
»Dat erzählen Se jedes Mal.«
»Abgesehen davon, haben Sie sich mal gefragt, wo die soviel Geld für die Miete her hat?«
»Ja, hab ich. Se hat ene Selbstauskunftsbogen ausjefüllt.«
»Und? Lassen Sie mich raten. Ex-Mann hops genommen oder Escort-Service.«
»Dat jeht Se nix an, Herr Peters!«
»Sie hat ihren Ex-Mann ausgenommen, oder?«
Leider mag Wellberg sich nicht zur Einnahmequelle meiner zukünftigen Übermieterin äußern. Ich erfahre noch, dass der Mietvertrag schon unterschrieben ist und der Möbellaster schon bestellt.
Als es draußen zu dämmern beginnt, schütte ich meine Tiefkühl-Paella in die Pfanne. Eine Frechheit. Es sind tatsächlich nur drei Garnelen drin. Nach dem Essen eile ich zum Fernseher und schalte auf n-tv, weil ich das Gefühl habe, dass irgendwas passiert ist. Und tatsächlich: Eine amerikanische Raumfähre explodiert kurz nach dem Start in einem gewaltigen Feuerball. Was für unglaubliche Bilder! Wie kann so was passieren? Erst als US-Präsident Ronald Reagan den Angehörigen der Astronauten sein Beileid ausspricht, wird mir klar, dass ich einen Bericht über die Challenger-Katastrophe von '86 sehe. Erleichtert schalte ich auf die Doku Das höchste Kettenkarussell der Welt und stecke meinen Fuß in eine Couchritze, was mir irgendwie ein Gefühl von Geborgenheit gibt. In dem Augenblick, als ich weiterschalten will, macht es über mir einen solchen Rumms, dass mir vor Schreck die Fernbedienung aus der Hand fällt.
HUMMERTUSSI, ICK HÖR DIR TRAPSEN
Mit schockgefrosteter Miene blicke ich zur Zimmerdecke. Was zum Teufel war das? Ich stelle den Fernseher auf stumm und drehe
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