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Millionär

Millionär

Titel: Millionär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Jaud
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ich vor Aufregung mal wieder Nasenbluten bekommen. Als ich jedoch Johannas Wohnungsschlüssel auf meinem Schuhschrank sehe, kann ich der Versuchung nicht widerstehen. Ist es nicht mein gutes Recht als Nachbar, mir ein kurzes Bild vom augenblicklichen Zustand des Tussenbaus zu machen? Also schleiche ich die zwei Treppen hoch und schließe die Wohnung auf. Ich trete ein und stehe im übergroßen Wohnzimmer, von dem die eins, zwei, drei, vier, fünf (!) Schiebefenster zur Dachterrasse abgehen. Auf dem Parkettboden erspähe ich eine leere Flasche Champagner, daneben zwei Gläser und ein Maßband. Sonst ist alles leer. Als ich ins Schlafzimmer schreite, um das Sternenfenster für Habichtkacke zu öffnen, sehe ich, dass Johanna große Zettel mit den Zimmerbezeichnungen an den Türen angebracht hat: Wohnzimmer/Essen, Schlafzimmer, Gästezimmer, Workout-Zimmer. Workout-Zimmer? Die Alte hat sie echt nicht mehr alle! Das hier ist Köln-Sülz, nicht Santa Monica.
    Ich nehme den Gästezimmer-Zettel ab und klebe ihn an die Tür zum Wohnzimmer. Dann vertausche ich den Workout-Zimmer-Zettel mit dem fürs Schlafzimmer und Bad eins mit Bad zwei. Ha! Hat das Gästezimmer halt fünfzig Quadratmeter und das Wohnzimmer elf! Lächelnd verschließe ich das Pent-house und mache mich auf den Weg zum Außendienst. Ist es nicht unfassbar, welch dumme Fehler Möbelpacker beim Umzug machen, wenn man als neuer Mieter Prosecco in der Schweiz schlürft statt wenigstens ein bisschen mitzuhelfen?
    FROSCH
    Eine Dämmerung nach EU-Norm legt sich über die Stadt, als ich nach einem anstrengenden Nachmittag zurück in mein Viertel komme. Ich war in mindestens zehn verschiedenen Supermärkten, um die Warnung: »Enthält Soldatenscheiße« auf probiotische Joghurts zu kleben. Was sich zunächst lustig anhört, ist in Wahrheit ein Lebensmittelskandal erster Güte: Die Basis jeglicher Bakterien in probiotischen Joghurts sind Keime aus menschlichem Stuhl, das kann man in jedem handelsüblichen Internet nachlesen. Für die Lebensmittelindustrie ist das freilich ein alter Hut, denn die Vorläufer dieser probiotischen Joghurtkeime hat man schon im Ersten Weltkrieg gezüchtet. Da soll eine ganze Kompanie an Durchfall erkrankt sein. Ein einziger Soldat blieb gesund. Mit dessen Stuhl hat man dann Bakterien gezüchtet, die man den anderen Soldaten ins Essen mischte, damit diese fit bleiben. Sie blieben fit. Und nun stecken die Enkelkinder dieser heroischen Fäkalbakterien in jedem probiotischen Joghurt. Scheißegal? Wohl kaum. Ich finde, dass der Verbraucher Bescheid wissen sollte, dass er keinen Mango-Pfirsich-Joghurt zum Frühstück isst, sondern einen Mango-Pfirsich-Soldatenkacke-Joghurt. Der Marktleiter bei Kaiser's fand das nicht. Hab ich halt Hausverbot. So wie bei Lidl, Edeka und Penny. Egal. Es gibt so viele andere Supermärkte ...
    Ich muss im Kiosk vorbeischauen, weil ich wegen meines außerplanmäßig verkürzten Aufenthalts bei Kaisers kein Bier mehr mitnehmen konnte. Müde drücke ich die mit vielen Zetteln beklebte Tür meines Ägypter-Kiosks auf und trete in den winzigen Raum, dessen Platz hauptsächlich vier große Kühlschränke einnehmen.
    »Haaaallo!«, begrüßt mich ein gut gelaunter Aset hinter seinem Tresen.
    »Wieder auf Tour gewesen heute?«
    »Ja, aber ... nicht so erfolgreich.«
    Ich öffne einen der Kühlschränke, nehme drei Flaschen Bier heraus und stelle sie auf die mit Krimskrams überfrachtete Theke.
    »Ich hab frische Falafel auch, wenn du willst. Heute gemacht. Sind prima zum Bier!«
    »Danke, heute nicht. Aber . ich soll dich grüßen von einer Annabelle Kaspar. Kennst du die?«
    Asets Gesicht macht nicht den Eindruck, als würde irgendein Groschen fallen.
    »Annabelle Kaspar? Hmm . wie sieht die aus?«
    »Das weiß ich nicht, ich kenne sie nur vom Telefon. Aber ich glaube, sie ist hübsch! Also, der Stimme nach. Die Stimme ist hübsch!«
    »Tut mir leid, aber ich schau nicht so genau auf die Stimme bei Kunden.«
    »Mhhh ... warte mal. Sie sagt, sie ist oft hier gewesen bis letztes Jahr und sie mochte deine Falafel so gerne!«
    Asets Gesicht beginnt augenblicklich zu leuchten.
    »Jeder mag meine Falafel gerne!«
    »Ja, sie halt ganz besonders.«
    »Leider kenne ich keine Annabelle. Sicher, dass du keine Falafel willst? Ich geb sie dir auch so, als Geschenk.«
    »Also gut. Drei Stück. Danke.«
    Schade, denke ich mir, während Aset die kleinen Kichererbsenbällchen in eine Papierschale packt und mit Alufolie umhüllt, ich hätte

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