Millionär
ist, um diese Zeit joggen zu müssen: Mein Bett liegt direkt unter Johannas Fitness-Laufband.
FEE
Normalerweise beginnt mein Samstag mit einem Croissant der am wenigsten schlechten Bäckerei meines Viertels. Dazu trinke ich dann Siebträger-Kaffee und blättere in der von Herrn Schnabel geborgten WELT. Da ich die gelesene WELT am nächsten Tag gegen die jeweils neue austausche, hängt Herr Schnabel nachrichtentechnisch lediglich 24 Stunden hinterher. Und ob er mit seinen siebzig Jahren nun am Samstag erfährt, dass die EU die Handgepäckregeln für Flugreisen nun doch nicht verändert, oder am Sonntag, ist ja nun wirklich egal. Doch dieser Samstag beginnt anders als die anderen. Mit dem Refrain eines Rocksongs nämlich, der ohne Vorwarnung mitten durch die Zimmerdecke auf mein Bett kracht:
. .. hey hey, you you, I don't like your girlfrien ...
Stille. Starr wie ein Marienkäfer auf dem Rücken liege ich im Bett und lausche ins Nichts. Wenn mich nicht alles täuscht, dann waren das soeben fünf Sekunden Avril Lavigne.
. .. doesn't matter to me. Ruby, Ruby, Ruby, Ru ...
Ein weiterer Musikschnipsel dröhnt aus dem Tussennest, nach wenigen Sekunden ist auch hier Schluss. Welcher halbwegs gesunde Mensch hört denn am Wochenende um kurz vor acht ein Album durch? Oh! Es geht weiter: . .. wieso wieso bin immer ich der Idiot und warum warum haben andere nicht ich die Million? Kann ich kann ich nicht auch ...
»Er braucht doch seine RUUUHHEEEE!«, rufe ich nach oben, doch meine Beschwerde verhallt ungehört. Brummelnd schleppe ich mich unter die Dusche und lasse lauwarmes Wasser und Himbeerkindershampoo über meinen kraftlosen Körper laufen. Als ich ein klein wenig wacher aus der Duschkabine trete, fliegen mir weitere Sound-Häppchen um die Ohren. Ich erkenne Take That, Jennifer Lopez und Roger Ciceros Frauen regier'n die Welt. Na vielen Dank auch für den Soundtrack zu meiner momentanen Wohnsituation. Ich beschließe, trotz der widrigen Umstände zum Bäcker zu gehen. Als ich zurückkehre, verlässt Johanna das Haus. Die Haare zu einem Zopf gebunden und ihre kleinen Öhrchen mit weißen iPod-Kopfhörern versiegelt, rast sie in einem High-Tech-Joggingoutfit die Treppe herunter und jubiliert, natürlich viel zu laut: »Hiii, cooler Nachbar!«
»Hallo«, grüße ich und frage ein wenig scheinheilig: »Läufste mit Musik?«
»Klar, hab eben noch 'ne Stunde Titel durchgehört für 'nen geilen Jogging-Mix!«
Ich nicke, da schlägt die Haustür auch schon zu.
Vielleicht sollte ich auch mal wieder Sport machen, denke ich mir. Schließlich hat Dr. Parisi gesagt, dass er den Sport prima gebrauchen könnte.
Noch während des Frühstücks versuche ich die Verbraucherberatung meines Vertrauens zu erreichen. Leider habe ich Pech an diesem Tag, denn auch beim zehnten Versuch wird mir wieder irgendeine Quatschwurst zugeteilt, statt Annabelle. Es ist eine Sache der Selbstverständlichkeit, dass ich die Nerven verliere.
»Nein! Ich will keine Dosierhilfe!«, poltere ich ins Telefon, »ich will mit Annabelle Kaspar sprechen! Annabelle Kaspar. Wie der Kasper nur mit a! Ja, genau, der Kasper mit dem Polizisten und dem Krokodil! Kriegen Sie das in Ihr weichgespültes Berater-Hirn?«
»Es tut mir leid, aber bei uns beantwortet jeder Berater alle Kundenanfragen. Sie sagten >weich gespülte, geht es um Lenor?«
»Nein, es geht um einen Frosch!«
»War ein Frosch in einem unserer Produkte?«
»Nein, verdammt nochmal, es war ein Frosch in einer Tasche!«
»Eine Dosiertasche?«
»Wissen Sie was? Lecken Sie mich am Arsch!«
Es ist kurz nach vier und ich habe schon fast aufgegeben, da höre ich den Satz, auf den ich so lange warten musste: »Procter & Gamble Verbraucherservice, mein Name ist Annabelle Kaspar, was kann ich für Sie tun?«
Ich räuspere mich aufgeregt und setze mich gerade hin.
»Sie waren eine Fee an Karneval und so betrunken, dass Sie Ihren Zauberstab verloren haben, stimmt's?«
Leider scheint es der Verbraucherberaterin meines Vertrauens die Sprache verschlagen zu haben, denn statt einer Antwort höre ich lediglich das beflissene Schnattern ihrer knapp neuntausend Kollegen.
»Hallo?«, frage ich vorsichtig nach. Vielleicht war ich ja doch ein wenig zu direkt.
»Sind Sie noch dran?« »Tschuldigung! Sie haben mich total auf dem falschen Fuß erwischt. Ich war eben noch bei Herrn Hoffmann und angetrockneten Swiffer-Tüchern.«
»Und? Kriegt er neue?«
»Nein. Er lässt sie absichtlich austrocknen, um Produkte zu
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