Millionär
wo zum Teufel steckst du? Die Bekloppte ist in ihr Auto gestiegen!«
»Andere Seite von der Aachener!«
Über drei Fahrstreifen, zwei höherliegende Straßenbahnschienen und weitere drei Fahrstreifen hinweg sehe ich Shahin vor der Auslage eines Handyladens winken. Klasse! Mein Ge-schäftspartner schaut sich Handys an, während sich die 5000 Euro in einer rollenden italienischen Todeszelle verpissen.
»Super, Shahin!«, belle ich ins Handy, »die nächste Wendemöglichkeit ist in einem Kilometer.«
»Wer sagt denn was von Wenden?«
Mir fällt fast die Kinnlade runter, als Shahin mit seinem Passat kurz vor einer Straßenbahn quer über sämtliche Schienen mit mehrmaligem Aufsetzen auf meine Seite poltert. Respekt, für so 'ne Aktion gibt's im Iran bestimmt drei Peitschenhiebe auf den Kühlergrill. Der Fiat der Bekloppten fädelt sich in den Verkehr ein und ich erkenne, dass sie eine Schnur mit Blechdosen an ihr Auto gebunden hat. Mit quietschenden Reifen kommt Shahins Passat neben mir zum Stehen, ich springe rein und schnalle mich an.
»Los. Ihr nach!«
»Ach was .«
Shahin gibt Vollgas und in kürzester Zeit sind wir knapp hinter dem gelben Blechdosen-Fiat, der nun hektisch wie eine Wespe die Spur wechselt.
»Pass auf, Shahin, ich glaub, die biegt ab!«
»Seh ich doch.«
Auch wir sausen mit über fünfzig Sachen in die Seitenstraße und kommen dem Fiat unerwartet näher als gedacht.
»Vorsicht!«, schreie ich, »da ist Stau!«
Shahin tritt voll in die Eisen, die Bremsen quietschen und mich drückt es so hart in den Gurt, dass mir die Luft wegbleibt. Um ein Haar wären wir der Irren hinten reingefahren. Mein persischer Kompagnon ist als Erster in der Lage, die Gesamtsituation zusammenzufassen.
»Knapp!«
Ich nicke. »Ja.« »Und jetzt?«
»Wie geplant. Wir machen sie mürbe. Wir bleiben einfach nur dran.«
Im Schneckentempo bewegt sich die Blechschlange voran, wir schleichen hinter dem gelben Fiat mit den klappernden Dosen her. Shahin wirkt ein wenig nervös auf mich.
»Damit das mal klar ist. Ich fahr mein Auto nicht kaputt für tausend Euro.«
»Du willst nicht ernsthaft jetzt mit mir verhandeln!«
»Wir müssen ja nicht verhandeln. Gib mir einfach mehr Geld. Zwanzig Prozent sind unfair!«
»Shahin, sie wendet!«
»Mir egal.«
Mit einem einzigen Satz ist die Bekloppte aus dem Stau ausgeschert und auf die Gegenfahrbahn gewechselt, wo sie jetzt einer sehr seltenen Kölner Grünphase entgegenröhrt.
»Shahiiiin, die haut uns ab!«, stöhne ich.
»Dreißig Prozent und ich wende.«
»Okay!«
»Voll Stoff, Shahin!«
Endlich hat auch Shahin eine Lücke im Gegenverkehr gefunden und lässt nichts unversucht, sich wieder an den Fiat zu kletten. Schließlich hängt nur noch ein südkoreanischer Famili-en-Van mit Baby-an-Bord-Aufkleber zwischen uns und unserem Ziel.
»Überhol doch!«, fordere ich Shahin lautstark auf.
»Bist du blind? Ich hab Gegenverkehr!«
»Aber nicht in der Mitte!«
»Lalala ...«, singt Shahin und lächelt. Was für ein gerissener Sauhund!
»Okay. Vierzig Prozent!«
Nach einem schlichten Nicken als Zeichen des Einverständnisses katapultiert uns Shahin trotz Gegenverkehrs an der Familien-reisschüssel vorbei und biegt schließlich direkt hinter der Bekloppten zurück auf die Aachener Straße. Die nächsten Minuten bleiben wir so nah am Dosenklapper-Fiat heften, dass sich kein Auto dazwischen schieben kann. Ein bizarres Spiel beginnt: Wenn unsere Schauspieler-Stalkerin im Schritttempo vorwärts zuckelt, dann tun wir das auch. Gibt sie Gas und schlingert, geben wir Gas und schlingern. Was auch immer der Fiat vor uns tut - wir tun es auch, inklusive mehrmaligem Umrunden eines Verkehrskreisels und rückwärts Einparken in einem Industriegebiet.
»Und ich soll wirklich auch einparken, Simon?«
»Ja. Wenn, dann konsequent. Denk an deine vierzig Prozent!«
Wir parken ein und bleiben zehn Minuten direkt hinter Frau Seawoods Fiat stehen. Links von uns donnert weiter der Berufsverkehr über das Kopfsteinpflaster, rechts umschließt eine mannshohe Steinmauer irgendeine Fabrik und vor uns sitzt die Brautstrauß-Bekloppte in ihrem quietschgelben Italo-Hopser und hat nicht die geringste Idee, was sie nun tun soll. Wir allerdings auch nicht.
»Und jetzt, Simon?«
»Nix. Wir warten!«
Ich bin zwar kein richtiger Psychologe, aber immerhin hab ich über einhundert Folgen Domian gesehen und so ahne ich, dass das Schauspieler-Nachgesteige nur aufhört, wenn wir eine finale
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