Millionencoup im Stadion
mal schenkte er ihr Blumen. Oder er wartete
in seinem großen Auto nach Schulschluss vor dem Gymnasium auf sie. Oder er lud sie
zu einem Eis ein — so wie jetzt.
»Ja, klar. Blumen, die er zuvor
im Nachbargarten geklaut hat!«, konterte Gaby. Sie schimpfte vor sich hin:
»Dieser Knete-Affe traut sich das nur, weil sein Vater zu den reichsten Männern
der Stadt gehört. Und weil er eine dicke Karre fährt. Macht voll einen auf
Sohn...«
Marie Nicoletta schüttelte
verträumt den Kopf. »Er ist echt nett, wenn du ihn nur besser kennen würdest —
und er ist sooo süß...«
Ich sage nichts, dachte Gaby.
Nichts, nichts, nichts!
»Willst du wirklich kein Eis?
Ich schaffe das nicht alleine.«
Wieder schüttelte Gaby ihren
Pony, der ihr bis in die Augen hineinreichte, während Marie Nicoletta ihr einen
Löffel Sahne unter die Nase hielt. Marie Nicoletta nickte, seufzte und schob
den Eisbecher auf die Seite. Nach zwei weiteren tiefen Atemzügen sagte sie: »Er
behauptet, er wäre unsterblich verliebt in mich, schreibt mir kleine
Liebesbriefchen und so.«
Gaby hielt einen Moment inne.
Sie sah ein, dass sie sich unmöglich aufgeführt hatte. Gaby beugte sich zu
ihrer Freundin hinüber und drückte ihre Hand. »Mann, dich hat es ja voll
erwischt. Na ja, wenn dir der Typ gefällt. Wo die Liebe hinfällt...«
8. Es riecht
nach Stress
Als Tim das Milioni di
Urbana erreichte und die beiden Mädchen erblickte, hob er seine Hand zum
Gruß. Besonders glücklich sah er dabei nicht aus. Gaby fing seinen Blick auf.
»Wo bleibst du denn so lange?«,
tadelte Gaby ihren Freund lachend. »Und was ist mit Klößchens Trikot? Habt ihr
etwas herausfinden können?«, fragte Gaby ungeduldig, die ein Gespür für Tims
Stimmungen hatte. Sie wusste sofort, dass etwas schiefgelaufen sein musste.
»Erzähle ich gleich, Süße. Aber
willst du mich nicht erst einmal deiner charmanten Begleitung vorstellen?« Tim
streckte Marie Nicoletta die Hand entgegen.
Gaby machte die beiden
miteinander bekannt. Marie Nicoletta kannte Gabys Superhelden bereits aus
zahlreichen Erzählungen, und es kam ihr so vor, als wären sie sich heute nicht
zum ersten Mal begegnet. Sie lächelte ihr unglaubliches Lächeln.
»Das Trikot war eine
Fälschung«, ließ Tim die Bombe platzen. »Das heißt, das Trikot ist nachgemachte
Billigware, das Etikett an der Innenseite scheint aber tatsächlich vom
Markenhersteller zu stammen.«
Gaby riss die großen Augen noch
weiter auf. »Ich verstehe nur die Hälfte. Was meinst du damit?«
Tim erklärte seiner Freundin,
was er zuvor von Herrn Kraut erfahren hatte.
»Das könnte heißen, dass die
Etiketten irgendwo geklaut wurden. Und irgendwer näht diese an die billigen
Trikots dran«, hatte Gaby richtig kombiniert. Schließlich war sie die Tochter
eines echten Kommissars! Gaby schwante Übles. »Nachtigall, ick hör’ dir
trapsen«, berlinerte sie, so, wie sie es neulich in einer Krimiserie im
Fernsehen gehört hatte. Sie gab Tim damit zu verstehen, dass sie die
Zusammenhänge der T-Shirt-Mafia durchschaut hatte.
»Wer sich diesen Millionencoup
ausgedacht hat, hat finanziell ausgesorgt«, ließ Tim verlauten.
»Ja, oder steht mit einem Bein
bereits im Knast. Wenn mein Papi den in die Finger bekommt, dann...«
»...dann kann er sich warm
anziehen«, vollendete Tim den Satz für seine Freundin.
»Häuptling, hast du eigentlich
schon gesehen, dass dort hinten dein spezieller Freund Steven Kraut sitzt?«,
fragte Gaby vorsichtig. Wohl bedacht, dass sie auf einem Pulverfass saß.
»Das wäre mir fast entgangen.
Und ich habe mich gerade noch gefragt, warum es hier so komisch riecht.« Tim
spielte auf Stevens intensives Eau de Toilette vom Vorabend an. »Der Typ könnte
glatt bei der Müllabfuhr arbeiten — als Duftsack!«
Marie Nicolettas Blick war
vernichtend. Sie sah Tim eiskalt an — etwa so, wie sie eine Raupe betrachten
würde, die sich auf ihrem feinen Porzellanteller verirrt hätte. Dann warf sie
den Kopf zurück. Was bildete sich Tim nur ein?
Zu seiner Verteidigung sagte
sie: »Die Krauts sind eine alteingesessene und angesehene Familie. Ihr
Stammbaum reicht bis in die Gründungsjahre unserer Stadt zurück! Es gibt sogar
eine prunkvolle Familiengruft auf dem alten Friedhof beim Wasserturm.«
Tim interessierte das nicht
sonderlich. Für ihn stand fest, dass Steven und er niemals Blutsbrüder werden
würden.
»Gehen wir nachher eigentlich
noch zum Friseur?«, wandte sich Marie Nicoletta an Gaby. Für sie war
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