Millionenkochen: Ein Mira-Valensky-Krimi
Würde ich im Fernsehen kochen, müsste ich das erklären. Ich kann mich an eine Folge von MillionenKochen erinnern, wo ein Mann mit nahezu rasender Geschwindigkeit und voller Hingabe gekocht hat, ich glaube, es war ein relativ aufwändiges Rezept mit Süßwasserkrabben. Und er tat es stumm. Der damalige Moderator, ein ehemaliger Starkoch, hatte keine Chance, ihn zum Reden zu bringen. Seine Konkurrentin hat mit einem unglaublich öden Kaninchen-Cordon-bleu gewonnen. Es kann allerdings auch sein, dass ein Teil des Publikums nicht sehen wollte, wie die lebendigen Krabben im kochenden Wasser starben. – In unserer sensationsgierigen Zeit? Jedenfalls kann ich mich nicht erinnern, dass je ein professioneller Fernsehkoch Krabben, Hummer oder Ähnliches vor Publikum vom Leben in den Tod befördert hat.
Droch hat zu dem ganzen Kochhype erst vor Kurzem eine interessante These aufgestellt: Im Alltag wird immer weniger gekocht, stattdessen sieht man lieber anderen beim Kochen zu. Das sei ähnlich wie beim Sex. Warum sonst könnten Sexkanäle, nächtliche Softsexprogramme und Pornos boomen? Wir entwickeln uns zu einer Gesellschaft von Zusehern, hat er gemeint. Mir ist das Selbermachen wichtiger, habe ich geantwortet, und Droch hat mich angesehen und ich bin rot geworden. Dass ich noch immer diese Schulmädchenkrankheit habe.
Ich reibe die vier Hühnerkeulen mit der Rosmarinmischung ein – sollten wir nicht alle aufessen, sie schmecken auch kalt gut -, gebe sie mit reichlich Olivenöl und ein wenig Butter in Oskars schwere Bratpfanne, die ich schon auf 220 Grad im Rohr erhitzt habe. Je schneller die Keulen außen knusprig werden, desto weniger Saft geht verloren. Die kleinen heurigen Kartoffeln wasche ich bloß gründlich, halbiere sie, gebe sie danach dazu in die Pfanne und setze die Hitze auf 180 Grad herunter. Ich sollte mir eine Vorspeise überlegen. Eine Stunde werden die großen, fleischigen Hühnerteile schon brauchen. Ich hab es am liebsten, wenn das Fleisch schon fast von den Knochen fällt.
Es läutet. Typisch Oskar, er läutet sogar in seiner eigenen Wohnung, wenn er weiß, ich bin da. Er will mich nicht überrumpeln, nicht einfach plötzlich da stehen. Ich hab ein Riesenglück mit ihm, renne zur Türe und sag ihm das. Er sieht überrascht und gerührt aus und schnuppert dann.
Oskar steht neben mir in der Küche, ein Glas Riesling in der Hand. Ich mische eine Marinade aus passierten Tomaten, frischem Thymian, ein paar zerdrückten Knoblauchzehen und gebe einen Schuss von der guten karibischen Hot Sauce dazu, die mir ein lieber Freund aus St. Jacobs geschickt hat.
„Solche Verträge sind zulässig“, meint Oskar. Ich habe ihm von MillionenKochen und dem Rundum erzählt. „Problematisch wird es, wenn sie Klauseln enthalten, die die Erwerbsfreiheit einschränken oder Grundrechte. Aber das kann ich in diesem Fall nicht sehen.“
Ich schäle eine Zwiebel und schneide sie so fein wie möglich. „Besonders menschenfreundlich ist es allerdings nicht, dass die Kandidaten abwechselnd spielen müssen, sie hätten gewonnen, und dass sie auf Verdacht die Fragen beantworten müssen“, wende ich ein.
„Das ist es ihnen wohl wert, mit dabei zu sein.“
Ich gebe die Zwiebel zur Marinade, suche nach Ingwer.
„Der ist aus“, erklärt mir Oskar, „ich hab damit letzte Woche den Fisch mariniert, du erinnerst dich.“
Kann man auch nichts machen, noch etwas Olivenöl zur karibischen Marinade, dann werden die Hühnerbrüste eingelegt und können bis morgen oder übermorgen durchziehen. Wenn ich daran denke, werde ich eben morgen Ingwer dazugeben. Gesalzen wird erst knapp vor dem Braten.
„Ich glaube nicht, dass die meisten Kandidaten so labil sind wie dein Klaus“, fährt Oskar fort.
„Ich weiß nicht … Aber wenn man sich in eine absurde Hoffnung hineinsteigert, dafür monatelang lebt, dann kann man schon verzweifeln, wenn’s nicht klappt.“
„Würde ich antreten, dann wäre es aus Neugier, schauen, was passiert …“
„Dir geht es ja nicht gerade schlecht.“
„Kann man von deinem Klaus auch nicht behaupten.“
„Erstens ist er nicht ‚mein‘ Klaus und zweitens ist er abhängig von seinen Eltern.“
„Müsste er doch nicht sein. Weißt du, was mich so stört: Es gibt Menschen, die könnten leicht eine Menge aus ihrem Leben machen und vergeuden ihre Zeit mit Jammern.“
„Nicht jeder ist stark.“
„Nein, das wohl nicht. Und das kann man auch nicht verlangen.“ Oskar seufzt. „Ich bin hungrig.
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