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Milner Donna

Milner Donna

Titel: Milner Donna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: River
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und mied die Straßen der schlafenden Stadt. Ich trug eine Jacke mit Kapuze und senkte den Kopf, wenn sich ein Auto näherte. Es wäre nicht nötig gewesen, denn wer war schon alt genug, um sich an die Milchfarm der Familie Ward zu erinnern, und wer hätte in dieser schlanken Frau mittleren Alters die pummelige Farmerstochter wiedererkannt, die früher oft die Milch vor die Tür stellte? Und erst recht hätte kaum jemand eine Ähnlichkeit mit den einzigen Wards festgestellt, die es noch in Atwood gab, nämlich mit Mom und Boyer, oder mit der neuen Ärztin der Stadt.
    Ich lehne mich in meinem Sitz zurück und schließe die Augen. Jennys Worte verfolgen mich. Worüber muss sie mit mir reden? Was kann so wichtig sein, dass sie es nicht am Telefon besprechen kann? Wenn es nichts mit Mom zu tun hat, geht es dann endlich um das Gespräch, um das ich mich bislang gedrückt habe?
    Ich wusste, dass ich irgendwann die Lücken für sie füllen müsste – die Umstände, die zu dem Bruch in unserer Familie geführt haben. Aber die Jahre sind vergangen, und sie hat nicht danach gefragt. Und mir ist es gelungen, jede vorübergehende Anwandlung beiseitezuwischen, wenn ich glaubte, der richtige Augenblick sei gekommen. Vielleicht ist es jetzt an der Zeit, ihr die Wahrheit zu erzählen, wie ich sie kenne oder mir vorgestellt habe. Alles. Das Verzeihliche und das Unverzeihliche.

7
     
    D IE Z ERRÜTTUNG UNSERER F AMILIE erfolgte ohne Vorwarnung. Es gab kein Ereignis im Zeitlupentempo, das man noch einmal hätte abspielen und überdenken können.
    Die Tragödie von Irrungen und Wirrungen vollzog sich im Verlauf weniger Tage in einem längst vergangenen Sommer. Sie ließ jeden in unserer Familie mit seiner eigenen geheimen Version der Begebenheiten zurück. Und mit der Aufgabe, für den Rest seines Lebens damit zurechtzukommen.
    Wenn ich die Zeit zurückspulen und die Vergangenheit neu gestalten könnte, würde ich das tun? Würde ich alles ändern, was danach geschehen ist?
    Ja. Natürlich würde ich das tun. Aber man kann nur mit der Vergangenheit leben. Oder mit ihr begraben werden.
    An jenem Julinachmittag beobachtete ich, wie Mom das Tor aufriegelte. Einen Moment fragte ich mich, ob sie, als sie den Job an ihn vergab, wusste, dass der junge Mann auf der anderen Seite des Zauns einer dieser »langhaarigen Irren« war, wie mein Vater sie nannte. Ich war nicht sicher, ob ich dabei sein wollte, wenn Dad und meine Brüder mit der nächsten Fuhre Heu nach Hause kommen würden.
    Erst vor ein paar Tagen hatte Mom, während sie die eben eingesammelten Eier im Abwaschbecken in der Küche säuberte, erwähnt, dass Dr. Benjamin Spock junge Amerikaner ermunterte, sich der Einberufung zu verweigern.
    Mein Vater saß am Tisch und rollte sich seine Zigaretten. Er blickte auf und zog eine Augenbraue hoch. »Ob er wohl mal darüber nachgedacht hat, was passiert wäre, wenn die Väter und Großväter dieser Jungs auch so gedacht hätten?«, sagte er zu Moms Rücken.
    Mom drehte sich um und lächelte Dad an. »Er möchte bloß, dass die Babys, denen er auf die Welt geholfen hat, eine Chance haben, auch erwachsen zu werden.«
    Mein Vater schnaubte: »Diese Babys sind zu einer Bande verzogener Lümmel mit Zottelhaaren herangewachsen. Sie tragen Spruchbänder herum und fordern Frieden, weil sie nicht den Mumm haben, für ihr Land zu kämpfen.« Er ließ seine Zunge an der Papierkante einer frisch gerollten Zigarette entlanggleiten.
    Boyer, damals dreiundzwanzig, saß am anderen Ende des Tischs. Er sah meinen Vater über den Rand seiner Kaffeetasse an. Mit seiner ruhigen Stimme sagte er: »Es geht um Wahlfreiheit. Allein schon die Tatsache, dass es eine Wehrpflicht gibt, nimmt ihnen ihr demokratisches Recht zu wählen. Mir scheint, diejenigen, die Nein sagen, machen sich eher für die Demokratie stark.« Und dann ergänzte er: »Wenigstens haben sie die Chance, sich für etwas einzusetzen, was größer ist als sie selbst.«
    Und hier nun spazierte jemand in unser Leben, der so aussah, als hätte er genau das getan.
    Er war ganz anders angezogen als wir alle hier. Statt der Jeans- oder Karohemden mit Druckknöpfen, die mein Vater und meine Brüder trugen, hing eine beigefarbene indische Baumwolltunika lose über den dunklen Schlaghosen. Statt in Cowboystiefeln steckten seine Füße in Mokassins. Ein aus Holz geschnitztes Emblem – ein Friedenszeichen, wie ich später erfahren sollte – baumelte an einem Lederband von seinem Hals. Seine langen

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