Milner Donna
Boyer an diesem Nachmittag die Treppe hochkam, bemerkte ich, während er River in sein Heiligtum führte, zum ersten Mal eine Anerkennung in seinem Blick.
»Klasse«, sagte River, während er Boyers Sammlung begutachtete. »Hast du ein Antiquariat überfallen oder so was Ähnliches?«
»So was Ähnliches.« Boyer setzte sich an seinen Schreibtisch, lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. »Die meisten stammen von einer ehemaligen Lehrerin an der Highschool. Ihr habe ich es zu verdanken, dass ich die Bücher bekomme, die die Stadtbücherei aussortiert hat.«
»Tolle Lehrerin!«, murmelte River. Er nahm ein Buch nach dem anderen in die Hand und fragte dann: »Hast du was dagegen, wenn ich mir ein paar ausleihe?«
»Bitte, jederzeit.«
Ich stand gegen die Tür gelehnt da, während sie sich über verschiedene Bücher unterhielten. Bis jetzt war mir nichts darüber bekannt, dass Boyer je irgendwelche Freunde außerhalb der Farm gehabt hätte. Im Geiste klopfte ich mir auf die Schulter, dass ich die beiden zusammengebracht hatte, und versuchte, den Anflug von Neid zu ignorieren.
Ein paar Tage später hörte ich nach dem Mittagessen ihre Stimmen aus dem Wintergarten. Ich ging nach draußen und sah, dass sie die Plattenalben durchsuchten.
»Bist du sicher, dass das funktioniert?«, fragte Boyer.
»Bei den Kühen meines Großvaters hat es funktioniert.«
Später fuhren die beiden mit Boyers Ford Edsel in die Stadt. Sie kamen mit einem ramponierten Plattenspieler aus dem Gebrauchtwarenladen zurück und brachten ihn in den Stall.
An diesem Abend hörte ich von meinem Ausguck auf dem Dach, wie sich die Geräusche des abendlichen Melkens mit Melodien eines Mozart-Konzerts mischten. Mein Vater machte sich über das, was River und Boyer vorhatten, lustig, musste aber bald zugeben, dass eine beträchtliche Steigerung der Milchleistung zu verzeichnen war.
Im langen heißen Sommer 1966 gab es eine Rekordheuernte. Am liebsten erinnere ich mich daran, wie mein Vater und meine Brüder auf dem Feld arbeiteten. Im Geiste sehe ich sie schweißgebadet im Glanz der Spätsommersonne. Dieses kostbare Bild halte ich tief in der dunklen Truhe meines Gedächtnisses versteckt. Ich nehme es selten heraus und nur ganz behutsam. Wie einen zerbrechlichen Gegenstand, der in Seidenpapier eingewickelt aufbewahrt wird, packe ich ihn zögernd aus. Ich drehe ihn um und um und versuche, mehr zu sehen, über die verblichenen Ränder der Erinnerung hinauszublicken.
Es müssen auch andere auf dem Feld gewesen sein, denn wenn Heu geerntet wurde, packten immer Hilfskräfte mit an. Doch jedes Mal, wenn ich es diesem Bild gestatte aufzutauchen, sehe ich nur die Gesichter meiner Brüder, meines Vaters. Und River.
Eines Tages, Mitte August, trug ich in der stickigen Nachmittagshitze einen Krug mit eisgekühlter Limonade hinaus auf das hintere Heufeld. Mit Elizabeth-Ann im Schlepptau ging ich die Straße hinunter.
Ich hörte meine Brüder, bevor ich sie sah. Die Stimmen von Morgan und Carl übertönten das Brummen des Traktors und das Rasseln des Heuwagens. Sie brüllten sich etwas zu und machten sich über die Knochenarbeit lustig. Rivers Stimme klinkte sich ein, von der Sommerbrise weitergetragen wie eine Melodie.
Elizabeth-Ann und ich blieben am Rand der Heuwiese im hüfthohen Gras stehen. Der süße Geruch trocknender Luzernen stieg uns in die Nase. Draußen auf dem Feld lenkte mein Vater den Traktor und zog den Heuwagen an den Reihen gebündelten Heus entlang. Mit der rechten Hand am Lenkrad sah er über seine linke Schulter Morgan und Carl zu, die die Heuballen nach oben warfen.
Boyer und River, beide trugen nur ihre Hosen, stapelten auf der Ladefläche des Wagens die schweren Ballen auf. Rinnsale von Schweiß durchzogen den feinen Heustaub, der ihre nackten Oberkörper bedeckte. Sie wandten den Kopf, als sie uns erblickten, und ich meinte, Erleichterung von ihren Augen abzulesen. Der Lärm des Traktormotors erstarb. Das monotone Summen der Insekten füllte die plötzliche Stille. Ich rannte über das gemähte Feld und ignorierte die Stoppeln, die durch die Sohlen meiner Tennisschuhe pieksten.
An diesen heißen Sommernachmittagen Moms durstlöschende Limonade zu überbringen, das war eine Routinetätigkeit, deren ich niemals überdrüssig wurde. Ich genoss es sogar noch mehr, wenn mich eine meiner Freundinnen – vor allem Elizabeth-Ann – begleitete.
»Danke dir, mein Sonnenkind«, sagte Dad und streckte den Arm nach seinem
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