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Milner Donna

Milner Donna

Titel: Milner Donna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: River
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meinen Handrücken getroffen hatte. Plötzlich umdrängte mich die ganze Schar. Stolpernd trat ich den Rückzug an und rannte dann in dem Versuch, der wilden Attacke von Schnäbeln zu entwischen, die gegen meine nackten Beine pickten, schreiend im Stall herum.
    Meine Mutter hob mich hoch und drückte mich an ihre Hüfte. Ich schlang die Beine um sie.
    »Es ist schon gut, mein Liebes«, beruhigte sie mich, »sie kennen dich einfach nicht.«
    Es dauerte lange, bis ich mich wieder einmal in den Hühnerstall traute. In der Zwischenzeit hatte Boyer meinem Wortschatz ein weiteres Zehnpennywort hinzugefügt: Alektorophobie.
    »Diese Vögel wollen niemand anderen als deine Mom in ihrer Nähe haben«, tröstete mich Dad, als er von meiner Tortur erfuhr. »Sie verwechseln sie mit ihrer blöden Mutter. Ich schwöre, dass diese Hühner schnurren, wenn sie sie tätschelt.«
    Nachdem Mom das Unkraut und das Grün des Gemüses für ihre »Girls« im Stall verteilt hatte, kehrte sie in den Garten zurück. Sie griff nach zwei langstieligen Hacken und reichte mir eine.
    Während wir das Erdreich um die Kartoffelpflanzen anhäufelten, arbeiteten wir Seite an Seite. Die Mittagssonne wärmte mir den Rücken. Meine Nase füllte sich mit dem satten Geruch der frisch umgegrabenen Erde und dem schweren Duft, der vom Rosengarten herüberwehte.
    Der Rosengarten war Moms Reich. Ich hatte immer geglaubt, dass Mom ihn allein deshalb in Schuss halten wollte, weil er ein Hochzeitsgeschenk meines Vaters war. Erst in letzter Zeit bemerkte ich, dass ihre wöchentlichen Pflegemaßnahmen eher einem Kräftemessen zwischen zwei Wesen glichen. Sie fiel mit Garten- und Heckenscheren, ja sogar mit einer Säge über die Rosenbüsche her. Niemals konnte sie mit den stark wuchernden Ausläufern und Schösslingen Schritt halten. Die Büsche wuchsen knorrig und verschlungen, egal, wie weit sie sie auch im Herbst zurückschnitt – und das war bisweilen so weit, dass es aussah, als könnten sie nie wieder nachwachsen. Doch jedes Frühjahr sprossen frische Triebe nach und füllten den Garten aufs Neue mit starken, dornenbewehrten Zweigen und Rosenknospen.
    »Warum schneidest du dir eigentlich nie Rosen für die Vase ab, Mom?«, fragte ich.
    Mom lehnte ihre Hacke gegen den Zaun. »Rosen sterben zu schnell«, sagte sie. »Außerdem erinnern mich Blumen im Haus nur an Beerdigungen und Tod.«
    Der einzige mir bekannte Mensch, der gestorben war, war meine Großmutter. Ich war zwölf Jahre alt, als Grandma Locke das Zeitliche segnete. Sie hatte uns selten besucht, aber nie werde ich die Art und Weise vergessen, wie sie meine Brüder und mich ansah – so, als wären wir für das Los ihrer Tochter verantwortlich. Als würden wir, durch unsere bloße Existenz, unsere Mutter, die für viel schönere Dinge bestimmt war, gegen ihren Willen gefangen halten. Und ich erinnere mich an die einzigen Worte, die meine Großmutter mir auf den Weg mitgab: »Heirate nie einen Farmer, Natalie. Es ist genauso leicht, einen reichen Mann zu lieben wie einen armen.« Es schien ihr nicht aufzufallen, dass mein Vater es war, der ihr jedes Mal, wenn sie zu Besuch kam, die Busfahrt bezahlte.
    Ich folgte Mom aus dem Garten heraus, denn wir hörten den Milchtruck kommen. »Warum hat Grandma Locke Dad eigentlich nicht gemocht?«, fragte ich, aber meine Augen waren auf River gerichtet, der aus dem Lastwagen stieg. Sein Pferdeschwanz wippte, als er anfing, die leeren Kästen vom Truck herunterzuladen.
    Mom schob den Riegel am Tor hinter uns zu. »Ach, es ging nicht so sehr darum, dass sie ihn nicht mochte, als um das, womit er seinen Lebensunterhalt verdiente. Und dass er mich Nettie nannte. Beides fanden meine Eltern barbarisch!«
    »Ach ja, die großen Lockes, Leslie und Christine selig«, rief Dads Stimme aus dem hinteren Teil des Milchtrucks heraus. »Der König und die Königin von Victoria.«
    »Ach, Gus«, antwortete Mom. Ich hatte diesen Ausdruck so oft aus ihrem Munde gehört, dass ich, als ich klein war, glaubte, es handele sich um ein einziges Wort.
    »Meiner Meinung nach haben deine Eltern dir nie verziehen, dass du einen Milchmann geheiratet hast«, erwiderte Dad. »Und einen ungehobelten obendrein.« Dann setzte er hinzu: »Vielleicht hat das den Reiz ausgemacht.«
    Ich eilte zum hinteren Ende des Trucks, griff nach dem nächsten Milchkasten und folgte dann River in die Molkerei. Er stellte seinen Kasten auf die anderen und lächelte mir zu, während er meinen entgegennahm. »Hast

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