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Milner Donna

Milner Donna

Titel: Milner Donna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: River
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zu sitzen, gab sie mir einen Schubs, damit ich mich neben River setzte. Nicht annähernd so kühn wie sie, ließ ich mich auf den Sessel fallen und starrte geradeaus, aber erst nachdem ich das amüsierte Lächeln auf den Gesichtern von Boyer und River registriert hatte.
    Der Film war Der Unbeugsame . Morgan und Carl hatten ihn schon mehrere Male gesehen, bevor sie Boyer und River überreden konnten, auch hinzugehen. An die Story kann ich mich nicht mehr genau erinnern – ich war mir der Nähe von River viel zu sehr bewusst, als dass ich mich auf den Film hätte konzentrieren können –, aber ich weiß noch, dass mir auffiel, wie sehr er Paul Newman ähnelte. Morgan und Carl waren auch dieser Meinung. Sie unterhielten sich über den Film und verglichen River danach wochenlang mit dem Unbeugsamen. Mom vertrieb sie eines Nachmittags aus der Küche, als sie über fünfzig Eier kochen wollten, um zu sehen, ob River den Rekord des Unbeugsamen einstellen könnte.
    Wenn es Boyer oder River störte, dass wir ihnen wie Schatten folgten, so ließ sich das keiner der beiden anmerken. Wie alle anderen waren auch wir immer willkommen, wenn wir in Boyers oder Rivers Zimmer aufkreuzten.
    Doch Folksongs, Gedichte und Gespräche über Ereignisse in der großen weiten Welt fesselten Morgan und Carl nicht lange; bald gingen sie wieder ins Haus, um im Wintergarten zu Fünfundvierziger-Rock-and-Roll-Platten zu tanzen. An vielen Abenden mussten Elizabeth-Ann und ich uns entscheiden, ob wir der Clique in den Wintergarten oder hinaus zum See folgen oder ob wir dableiben und uns Gedichte und Protestlieder anhören sollten, die wir nicht ganz verstanden. Für mich war die Entscheidung klar.
    Jeden Sommer veranstalteten meine Eltern am Labour-Day-Wochenende auf der Farm ein Barbecue. Die halbe Stadt erschien. Mom liebte diese Zusammenkünfte, die für sie das Highlight des Jahres waren. Sie war tagelang mit den Vorbereitungen beschäftigt. Jeder, der beim Heuen geholfen hatte, wurde belohnt mit dicken Steaks, Unmengen von Kartoffelsalat, Moms frisch gebackenem Brot und Platten mit heißen Maiskolben, die mit ihrer frischen Butter beträufelt waren. Und natürlich Heidelbeeren in allen Variationen – Kuchen, Törtchen und Pasteten. Mom sorgte dafür, dass alle Teller stets gefüllt blieben und die Getränke nachgeschenkt wurden, während mein Vater und die Männer um die Wette Hufeisen warfen und die Frauen in kleinen Tratschrunden auf dem Rasen saßen. Mir fiel auf, wie geschickt Mom alle Fragen und Anspielungen, dass River ja zur Familie gehörte, umschiffte oder ignorierte.
    Mit all den zusätzlichen Hilfskräften war das Abendmelken schnell erledigt, und so hatten meine Brüder und ihre Freunde Zeit, zum kleinen See bei der alten Bergarbeiterhütte zu gehen. Das war ihr Zugeständnis an Rivers Anwesenheit. Denn bevor er kam, hatten wir uns an heißen Sommertagen alle in den Pick-up-Truck gezwängt und uns auf den Weg hinunter zum Blue Lake zehn Minuten südlich der Grenze gemacht. Sowohl die amerikanischen als auch die kanadischen Zollbeamten waren so sehr daran gewöhnt, einen meiner Brüder am Lenkrad des alten Farmtrucks zu sehen, dass sie uns normalerweise durchnickten. Mit River wagten wir nicht mehr, über die Grenze zu fahren.
    Als wir an diesem Tag alle aufbrachen, um die Straße zum See hinaufzugehen, winkte ich Mom noch einmal zu. Sie saß im Schatten an der Seite des Hauses, zwischen Dr. Mumford und Father Mac. Ich bemerkte den Ausdruck in ihren Augen, als sie uns weggehen sah. Ich kannte diesen Blick, den Blick eines nicht eingeladenen Kindes, das die langweiligen Unterhaltungen von Erwachsenen über sich ergehen lassen muss, während alle davonstürzen, um zu spielen. Ich wäre am liebsten stehen geblieben und hätte gerufen: »Komm doch mit!« Aber natürlich tat ich das nicht.
    Es war kein richtiger See, eher ein Teich, aber zum Schwimmen groß genug. Seerosenblätter und Gräser trieben an den schlammigen Ufern. Jahre zuvor hatten Morgan und Carl ein Holzfloß gebaut. Als Kinder benutzten wir lange Stangen, um es über den See zu staken. In diesem Sommer hatte jemand es in der Mitte verankert.
    Wir wechselten uns beim Umziehen in der Holzhütte ab. Das alte Bergarbeiterblockhaus hatte schon hier gestanden, bevor unser Großvater das Land in Besitz nahm. Als wir Kinder waren, benutzten Morgan, Carl und ich die Hütte als Spielhaus und schleppten allerlei Krempel hier heraus. Wäre ich aufmerksamer gewesen, hätte ich

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