Milner Donna
von der er sang.
In jenem Sommer entdeckte ich, dass Verliebtheit einen Menschen verändert. Sie weckt Wünsche. Ich wollte nett sein. Ich wollte hübsch sein. Ich erlaubte Elizabeth-Ann, die Friseuse werden wollte, meinem Haar einen Pagenschnitt zu verpassen. Für die toupierten Hochfrisuren, die die anderen Mädchen trugen, war ich immer noch nicht bereit.
Und ich wollte dünn sein. Bald nach Rivers Ankunft hatte ich mir angewöhnt, nichts zu essen, was nicht zuvor in Essig getaucht war – ein weiterer Trick, den mir Elizabeth-Ann beigebracht hatte. Und schon im September war ich nicht mehr das pummelige Milchmädchen. Nicht mehr »Nat die Milchkuh«.
Dennoch widerstrebte es mir, mich im Badeanzug zu zeigen. Ich wusste, dass mein neuer, schlanker Körper eher wie der eines Jungen aussah, im Gegensatz zu den sonnengebräunten Körpern der anderen Mädchen. Meine Haut war so blass wie die dürren Beine meiner Brüder. Mit ihnen und unseren Freunden im Blue Lake zu schwimmen, das war eine Sache, aber vor Rivers Augen einen Badeanzug zu tragen eine ganz andere.
Ich hatte immer noch meine wadenlangen Fahrradhosen und ein T-Shirt an. Mein Badeanzug lag in der Hütte, eingewickelt in ein Handtuch. Der Korb mit den Desserts und Getränken diente mir als Entschuldigung dafür, ihn nicht anzuziehen.
River blickte von der Gitarre hoch und warf den Kopf zurück, um seine nassen Haare auszuschütteln. »Genau wie deine Mom«, grinste er mich an. »Immerzu die hungrigen Massen speisen.«
Ich hatte nichts dagegen, mit meiner Mutter verglichen zu werden. Vor allem nicht von River. Ich spürte, wie mir angesichts der Sanftheit seiner Stimme, der Eindringlichkeit seines Blicks das Herz aufging.
»Aber du solltest am besten selbst etwas davon essen«, sagte er und nickte in Richtung der Dinge, die ich auf den Tisch stellte. »Sonst bleibt am Ende nichts mehr für dich übrig.«
»Na, komm schon, Natalie!«, stichelte Morgans Stimme über das Wasser. »Wenn du nicht reinkommst, kommen wir und holen dich.«
Ich ignorierte sie weiter, bis er und Carl abtauchten und auf das Ufer zuschwammen. Das dunkle Wasser wurde aufgerührt, als andere folgten, lachten und Warnungen riefen, dass ich jetzt in meinen Kleidern reingehen müsste.
»Besser, du gehst freiwillig ins Wasser«, warnte mich River, während er weiter auf seiner Gitarre klimperte.
»Stimmt«, sagte ich und ging zur Hütte. Ich wusste, dass mir etwas Zeit blieb, bis Carl und Morgan das Ufer erreichen würden. Keiner von uns Wards war ein großer Schwimmer.
In der Hütte zog ich mich im Dunkeln um. Sobald ich wieder draußen war, eilte ich zum See, sehr darauf bedacht, gleich vom Wasser versteckt zu werden. Bis meine Füße auf den schlammigen Grund traten, waren alle schon am Ufer angelangt. Sie planschten und alberten herum, während ich ins Wasser watete. Plötzlich blieb ich wie angewurzelt stehen, weil der verborgene Schlick zwischen meine Zehen zu quellen schien.
»Pack sie bei den Füßen!«, rief Morgan Carl zu. »Ich nehme sie an den Armen.«
Ich war umzingelt und eingeschlossen und hatte mehr Angst davor, eine Szene zu machen und die Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen, als vor dem Wasser. Der Schlick fühlte sich wie Treibsand an – ich begann zu hyperventilieren.
»Wartet«, rief River. »Lasst sie allein hineingehen.« Er legte seine Gitarre auf den Tisch und stieg zu mir ins Wasser. Er bewegte sich vor mir rückwärts. Ich zog die Füße aus dem zähen Schlamm und folgte ihm. Als er bis zur Hüfte im Wasser stand, sagte er: »Jetzt beug dich nach vorn.« Seine Stimme war sanft, angenehm, nur für mich allein. »Leg dich einfach aufs Wasser und lass dich treiben.«
Ich folgte ihm, während er sich im Wasser weiter rückwärts bewegte. »Vergiss nicht zu atmen«, sagte er.
»Tja, das ist wohl irgendwie unerlässlich«, versuchte ich zu scherzen und paddelte auf ihn zu. River lachte und legte sich zurück. Er schwamm auf dem Rücken bis zum Floß, machte dann eine Rolle und tauchte neben mir wieder auf. Seine Arme zogen exakt und sicher durch das Wasser, während wir nebeneinander schwammen. Er schwang sich auf das Floß, und Wasser tropfte von seinem Körper. Dann streckte er mir den Arm entgegen und zog mich auf die Holzplanken hinauf.
Ich weiß nicht, warum ich in diesem Augenblick ein solches Triumphgefühl verspürte, warum mir die Käsigkeit meiner nackten Haut nichts mehr ausmachte. Ich wusste nur, dass ich mich hier sicher fühlte, auf
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