Milner Donna
wussten, dass Mama Cooper nicht zu stoppen sein würde. Schon wieder würde sie die Geschichte von meinen Großeltern und dem Farmarbeiter zum Besten geben.
»Der Typ war auch ein tüchtiger Arbeiter, aber, ach je, er hatte ein Auge auf Manny geworfen«, erzählte sie. »Schätze mal, er hat sich für so hinreißend gehalten, dass ihm keine widerstehen könnte. Wollte nicht aufhören, deine Großmutter zu belästigen, sobald sie allein waren. Sie hat es Angus nie erzählt, weil sie fürchtete, die Hilfskraft zu verlieren. Sie dachte, sie könnte allein mit ihm fertig werden. Aber er war hinter ihr her und machte plumpe Annäherungsversuche, die deine Gramma auf die Palme getrieben haben. Dann, eines Tages, als dein Granpa unterwegs war, um die Milch auszuliefern, ist dieser großspurige Kerl in die Küche gekommen, während Manny allein war. Sie stand genau hier und hat an diesem Tisch Fleisch gehackt.«
Mom stieß einen übertriebenen Seufzer aus, aber Mama Cooper erzählte unbeirrt weiter.
»Er fing an, Manny zu provozieren, dass sie doch Spaß miteinander haben könnten, solange Angus weg war. Deine Gramma hat ihm gesagt, er solle sich trollen, und hat ihn einfach ignoriert. Sie hat weitergearbeitet. Dann aber stand er direkt neben ihr und flüsterte: ›Ich hab da was für dich, Manny.‹ Und ehe sie sich’s versah, hat er sich die Hose aufgeknöpft, seinen Willie hier genau auf diesen Tisch gelegt und stolz wie ein Pfau gesagt: ›Na, und wie gefällt dir das hier?‹, als würde er ihr ein Geschenk überreichen!«
Mama Cooper machte nur einen Moment Pause, um nach Luft zu schnappen und die nächste Uniform aus dem Korb zu nehmen.
Elizabeth-Ann hatte das Pfirsichschälen vergessen und starrte Mama Cooper mit offenem Mund an.
»Tja, Manny hat weiter Fleisch gehackt und stur nach vorn geschaut.«
Mama Cooper vollführte eine Pantomime am Bügelbrett. »Tschopp, tschopp, tschopp und dann – zack! Das Hackbeil flog zur Seite und hat dabei die Hälfte seines … seines … na ja, ihr wisst schon, was, fein säuberlich abgetrennt.«
Elizabeth-Ann rang nach Luft. Sie blickte von Mama Cooper zu mir, dann zu Mom, die mit den Schultern zuckte, um zu bestätigen, dass die Geschichte, soweit sie wusste, wahr war. Elizabeth-Ann dachte einen Augenblick nach, dann fragte sie mit heiserer Stimme: »Ist er gestorben? Was ist mit dem … dem … ihm passiert? Hat man ihn wieder angenäht?«
Mama Cooper tat die Fragen ab, während ein zufriedenes Grinsen über ihr Gesicht ging. »Weiß nicht«, sagte sie. »Er ist einfach verschwunden. Man hat nie wieder was von ihm gehört.«
Mama Cooper zog den Bügeleisenstecker heraus. »Mir ist allerdings aufgefallen, dass Gus diesen jungen Mann hier jeden Tag auf die Milchtour mitnimmt«, sagte sie geheimnistuerisch. »Vielleicht hat er Angst, ihn mit dir allein zu lassen, Nettie.«
Mom lief rot an, lachte dann kurz auf und sagte: »Auf dieser Farm ist man nie allein.«
21
A LS R IVER BEI UNS WAR, suchte er nie unsere Gesellschaft, aber er mied sie auch nicht. Er schien sich ebenso wohlzufühlen, wenn er allein war, wie wenn ihn jemand in seinem Zimmer über der Molkerei besuchte.
Sobald Boyer angefangen hatte, seine Abende dort zu verbringen, trottete ich mit. Ich saß an dem Chromtisch in der Ecke und hörte zu, wenn Boyer Gedichte von Dylan Thomas vorlas oder River Gitarre spielte und melancholische Bob-Dylan-Songs sang. Je häufiger ich sie zusammen sah, desto klarer wurde mir, wie ähnlich die beiden in ihrer ruhigen Art waren. Als Außenstehende wachte ich mit zunehmendem Neid über die Zeit, die sie gemeinsam verbrachten. Ich war mir nicht ganz sicher, ob sich der Anflug von Groll, den ich empfand, gegen Boyer oder River richtete.
Es ergab sich zwangsläufig, dass jetzt Elizabeth-Ann an Boyers Stelle trat und meine beste Freundin wurde. Als Verbündete und Verschworene dachten wir uns Möglichkeiten aus, wie wir zu viert zusammen sein könnten. Eines Abends drängten wir uns unaufgefordert in Boyers Ford Edsel, als er und River sich auf den Weg ins Roxy-Kino an der Main Street machten. Im Rückspiegel sah ich Boyers nachsichtiges Lächeln, während wir es uns auf dem Rücksitz bequem machten. Ich wusste, dass mir mein Bruder damals nichts abgeschlagen hätte.
Im abgedunkelten Kinosaal folgten wir ihm und River zu den mittleren Sitzen der hinteren Reihe. Bevor Elizabeth-Ann sich an den Knien der beiden vorbeidrückte, um auf der anderen Seite von Boyer
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