Milner Donna
auch mal an Boyers Job, an das Geschäft deines Vaters?«
Plötzlich fiel mir das Atmen schwer, denn mir wurde schlagartig klar, wie viel Leid mein Mangel an Diskretion auslösen konnte.
»Wenn du also nicht willst, dass die ganze Stadt über deinen Bruder Bescheid weiß, schlage ich vor, dass du einsteigst«, drängte Mr. Ryan.
Ich kann nicht erklären, warum ich glaubte, ich könnte dadurch, dass ich in dieses Auto stieg, den Schaden ungeschehen machen und Boyer irgendwie schützen. Ich blieb stehen und ließ Mr. Ryan die Beifahrertür aufdrücken. Ich spürte, wie seine rosa geränderten Augen mich beobachteten, während ich einstieg und die schwere Tür zuzog.
»Danke«, sagte ich mit schwacher Stimme, hielt aber meine Hand auf dem Türgriff.
Das Wageninnere roch nach Leder und neuem Auto, es war der Geruch von Autorität, von hemdsärmliger Macht.
»Na, das war ja eine schöne Geschichte, die du Elizabeth-Ann da erzählt hast!«, sagte Mr. Ryan, als der Wagen auf dem Highway beschleunigte. »Kein Wunder, dass du aufgewühlt bist.«
Ich schwieg und überlegte, wie viel er erfahren hatte und wie ich es wiedergutmachen könnte.
»Diese beiden Jungs so zu sehen«, schnaubte er. »Tja, das ist schon ziemlich ekelhaft.«
Mein Verrat war komplett. »Bitte, sagen Sie es niemandem, Mr. Ryan«, flehte ich. »Ich habe gelogen. In Wirklichkeit habe ich gar nichts gesehen. Ich hatte eine Wut auf meinen Bruder … Ich wollte ihm einfach nur wehtun. Nichts davon ist wahr, ich habe Elizabeth-Ann angelogen. Es ist nicht wahr.«
»Wir beide wissen, dass es wahr ist, oder? Wir werden sehr gut aufpassen müssen, wer das sonst noch herausfindet«, fuhr er fort, und seine Stimme war jetzt ganz die des Bürgermeisters unserer kleinen Stadt, der sich über die Moral seiner Bürger Sorgen macht.
Der Lincoln verlangsamte und fuhr vom Highway herunter.
»Nein, warten Sie, das ist nicht meine Straße«, sagte ich. »South Valley, das ist die nächste.«
Der Wagen fuhr weiter. »Wir drehen gleich da oben um«, gab er zur Antwort und fuhr in die Kiesgrube, die ich vor nicht einmal einer Stunde zu Fuß durchquert hatte.
Doch statt auf die Straße zurückzufahren, kam das Auto zum Stehen. Mr. Ryan beugte sich hinunter und fasste mit einer Hand unter den Sitz.
»Ich muss nach Hause«, sagte ich, den Türgriff fest umklammernd. Das Schloss schnappte nach unten.
»Ach, warum plötzlich diese Eile?« Ein silberner Flachmann erschien in seiner Hand. »So solltest du nicht nach Hause gehen.« Er schraubte den Verschluss auf und hielt mir die Flasche hin. »Hier, nimm einen Schluck. Das wird dich beruhigen.«
»Nein. Nein danke.« Selbst in meiner wachsenden Panik war ich, wie es sich gehörte, einem Erwachsenen gegenüber höflich. »Ich kann von hier aus zu Fuß gehen«, sagte ich und fixierte ihn, während meine Finger nach dem Schloss an der Tür tasteten.
»Wir müssen uns miteinander unterhalten«, erklärte er, ohne auf meine Worte einzugehen. »Wir müssen darüber nachdenken, wie wir das schmutzige kleine Geheimnis von deinem Bruder und seinem Freund bewahren können.« Er setzte den Flachmann an die Lippen und nahm einen langen Zug; dann hielt er ihn mir wieder hin. »Na los schon.«
Ich schüttelte den Kopf und wich zurück; ich saß in der Falle. Ich lehnte mich gegen die Tür und zog vergeblich am Griff.
»Weißt du, was ich glaube, Natalie?«, sagte Mr. Ryan, zog die Schlüssel aus dem Zündschloss und schob sie in die Tasche seiner Trainingshose. »Ich glaube, du brauchst einen richtigen Mann.« Er beugte sich rasch über den gepolsterten Ledersitz und griff nach mir.
Er drängte sein Gesicht an meines. Eine Alkoholfahne attackierte meine Nase. Feuchte Lippen suchten nach meinen. Seine Hände waren überall, greifend, tastend, fanden ihren Weg in meine Bluse, unter meinen Rock, während ich verzweifelt am Griff der Beifahrertür ruckelte.
»Bitte, nicht!«, schluchzte ich.
Irgendwie fanden meinen zitternden Finger den Knopf oben an der Tür und zogen ihn hoch. Gleichzeitig zerrte meine andere Hand am Türgriff. Die Tür sprang auf. Ich flog rückwärts hinaus. Da ich mit dem Kopf aufschlug, war ich kurz wie betäubt.
Als ich versuchte, mich aufzurappeln, hielt mich Mr. Ryan am Fußknöchel fest. »Oh nein. Du nicht.« Seine Stimme war ein barsches Brummen. »Du gehst nirgendwohin.«
Ich wand mich und kickte, bis ich meinen Fuß aus seinem Griff befreit hatte, und es gelang mir, auf die Beine zu kommen. Ich
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