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Mimikry

Mimikry

Titel: Mimikry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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Tasse Kaffee mit uns?«
    »Nein danke, ich halte Sie nicht lange auf.« Floskeln, Gerede, Stocker achtete sehr auf solche Dinge, entschuldigen Sie die Störung. Tut mir leid, aber ich müßte – »Tut mir leid«, sagte Ina Henkel. »Nur noch ein paar kurze Fragen.« Sie sah sich um. Diese Wohnung ähnelte der Wohnung Bischofs, zu viele Möbel, zu viele Spitzendecken, Kissen und Kerzen, zu viel Nippes überall. Doch war es nicht so schrecklich aufgeräumt wie bei der Benz, wo man den Eindruck bekam, daß keiner dort lebte.
    »Stört sie der Tobi?« fragte Vera Seifert.
    »Wer?«
    »Ich«, sagte der Mann.
    »Nein«, sagte Ina Henkel. »Frau Seifert, ich möchte –«
    »Wir haben keine Geheimnisse voreinander.« Vera Seifert lächelte. »Wir kennen uns noch gar nicht lange, eigentlich erst -ja.«
    »Gut.« Ina Henkel schnippte mit dem Fingernagel gegen ihr Notizbuch. »Hat Julia einmal von einem Martin Fried erzählt?«
    »Wer?« fragte Vera Seifert.
    »Martin Fried«, wiederholte der Mann auf dem Sofa.
    »Nein«, sagte Vera Seifert.
    Ina Henkel holte das Foto aus dem Notizbuch.
    »Nein. Den kenne ich nicht. Ich hab so einen ähnlichen gesehen, als ich tanzen war, also, der wollte mich dauernd auffordern, aber dann kam der Tobi und – na ja.« Sie lachte.
    »Wann war das?« fragte Ina Henkel.
    »Als ich tanzen war? Letzten Samstag.«
    »Ach so.«
    »Soll Julia den gekannt haben?« Vera Seifert schüttelte den Kopf.
    »Ich weiß es nicht.«
    »Sie haben noch keinen Mörder?«
    »Nein.« Sie schob das Foto ins Notizbuch zurück. »Sie haben gesagt, daß Sie den Kontakt zu Julia abgebrochen haben, weil die Sie irgendwie genervt hat mit ihrem Jammer, so ähnlich jedenfalls.«
    »Oh Gott«, sagte Vera Seifert. »Hab ich das –« Sie blickte zu Tobi, der half aber nicht. »Sie ging mir schon auf die Nerven, weil sie so gedrückt war, verstehen Sie? Statt das Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen, hat sie sich verkrochen. Sehen Sie, ich bin ja auch ausgegangen und da hab ich den Tobi kennengelernt. Er ist geschieden, hat einen Sohn – also, man muß was tun. Von selber passiert nichts.«
    »Vielleicht haben Sie Julia regelrecht gehaßt?«
    »Um Gottes willen!« rief Vera Seifert, und der Mann auf dem Sofa murmelte: »Sag nix mehr.«
    »Was?« Ina Henkel seufzte. »Jetzt raten Sie ihr gleich zum Anwalt, ja? Sie gucken zuviel fern, glaub ich.«
    »Ja, um Gottes willen«, wiederholte Vera Seifert. »Sie war mir gleichgültig. Julia war mir vollkommen gleichgültig, Haß ist was anderes.«
    »Sicher.« Ina Henkel strich sich das Haar aus der Stirn. »Ich danke Ihnen.«
    »Tschüssi«, sagte der Mann.
    Unten blieb sie eine Weile vor dem Haus stehen. Zwei Meter weiter schmuste der Bärtige mit seiner Frau. Noch immer kam Patti Smith aus dem Ghettoblaster, eine Ballade diesmal, nichts zum Lauthören. Etwas zum Schmusen. Sie sah hin, bis er den Kopf hob, dann rannte sie zu ihrem Wagen, kickte eine leere Coladose weg, und der Bärtige und seine Frau lachten dröhnend hinter ihr her.

47
    Hieber balancierte die beiden Pappdeckel mit Döner zum Streifenwagen, lief zum Dönermann zurück und holte die Colabecher. Er hatte den jungen Kollegen im Wagen, der seinerzeit dabeigewesen war, als sie die Frau auf dem Sofa melden mußten, Bischof. Das war Leos Feuertaufe gewesen. Eine Feuertaufe brauchten sie alle, quasi zur inneren Stärkung, für den inneren Widerstand brauchten sie die. Hiebers eigene Feuertaufe war ein Verkehrsunfall gewesen, lieber nicht dran denken.
    Er reichte Leo einen Colabecher. »Du bist ein faules Stück.«
    »Hm?« Leo rutschte etwas im Sitz herunter, während er aß, womöglich war es ihm peinlich, so gesehen zu werden mit der Staatsmütze auf dem Kopf und Döner zwischen den Fingern.
    »Läßt mich hier zweimal rennen«, sagte Hieber. »Ich bin auch nicht mehr der Jüngste.«
    Vorgestern war Hiebers Frau zur Kur gefahren, gestern hatte er oben auf der Leiter eine Glühbirne in die Deckenleuchte geschraubt und war ein wenig ins Trudeln geraten, das war ihm früher auch nicht passiert. Woran er sich genau erinnern konnte, war der kurze Blitz, der ihn durchzuckte, erst der Schreck und dann der Blitzgedanke: Wenn du jetzt fällst, wird’s eng. Die Frau zur Kur, die Tochter ja schon längst aus dem Haus – würde ihn im Zweifelsfall jemand finden? Das mußte mit dieser schrecklichen Dreimonatsleiche zusammenhängen, daß er auf solche Gedanken kam. Tatsächlich war er im Kopf all die Leute durchgegangen, denen

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