Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mimikry

Mimikry

Titel: Mimikry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
Vom Netzwerk:
nur nicht sicher, wie Leo darauf reagieren würde.
    »Da liegt einer«, sagte Leo heiser.
    »Paß du auf mit deinem Döner.« Hieber krempelte die Ärmel hoch. »Ich kann das hier allein. Geh raus, paß auf, daß keiner kommt, sag dem Nachbarn, es hätt’ ein Unglück gegeben. Muß er sehen, wie er das mit der Versicherung macht.«
    »Ehm –« begann Leo.
    »Ja, mach schon.« Hieber wartete, bis er draußen war, dann tauchte er seine Finger ins Wasser. Es war kalt. Klebrigkalt, wenn es das gab. Er hatte den Eindruck, in etwas Schmieriges zu fassen, nicht in etwas so Klares wie Wasser; hier über der Wanne war der Parfümgeruch noch schlimmer. Vorsichtig tastete er mit beiden Händen nach jenem Teil der blauen Folie, der locker wirkte, nicht so fest verschnürt wie der Rest. Als er daran zog, blickte er in das Gesicht einer Frau.
    Es war das Entsetzen in ihren Augen, das ihn einen Moment den Kopf zur Seite drehen ließ. Die Augen. Glasig und starr beobachteten sie etwas, von dem er nichts wußte. Groß und dunkel waren sie, als bestünden sie nur aus Pupillen, groß und schwarz und schreiend vor Angst.
    Sie war vielleicht schön gewesen. Langsam atmete Hieber aus; es kam vor, daß er die Luft anhielt, ohne es richtig zu merken. Zumindest hübsch. Sie hatte hohe Wangenknochen und dichte Wimpern, die aussahen, als seien sie immer sorgfältig getuscht worden.
    Seine Füße waren naß. Stöhnend richtete er sich auf und holte das Funkgerät aus der Jackentasche.

48
    Stocker hockte auf der Schreibtischkante. »Wo waren Sie denn, haben Sie verpennt?«
    »Von wegen.« Ina Henkel warf ihre Tasche auf den Tisch. »Ich war noch mal bei dieser Seifert.«
    »Wer ist das?«
    »Na, diese Exkollegin von der Bischof, die mal bißchen mit ihr zusammengesteckt hat. Die so scharf auf diese Ordner mit den Stars war, die kam doch damals angetanzt, wie ich in Bischofs Wohnung –«
    »Ja, ja,«, sagte er. »Und?«
    »Weiß nicht –« Sie legte ihre Jacke auf die Fensterbank. Im Hof die Leichenhunde, friedlich dösend. »Die hat ja erzählt, daß sie Bischof nicht mehr ausstehen konnte – na ja, wird so ’ne Frauengeschichte gewesen sein, Freundinnen haben sich zerstritten, so was kann dramatisch sein. Hochdramatisch.«
    »Ah so«, sagte Stocker.
    »Vielleicht hat die Seifert ihr gesagt, daß sie sie nicht mehr sehen will, vielleicht ist Bischof darüber ausgerastet, weil sie doch sonst schon niemanden hatte und dann –«
    »– schlägt diese Seifert ihr auf den Kopf, reine Selbstverteidigung.« Stocker lachte. »Leicht für eine Frau, wahrscheinlich trägt sie ’ne Baseballkeule mit sich rum. Macht die mit links. Wiederholt sie dann gleich bei Fried, weil es so schön war.«
    »Lassen Sie mich in Ruhe.« Im Spiegel sah sie ihre geröteten Augen und hoffte, daß er nichts merkte. »Vor allem wollte ich wissen, ob sie von einer Verbindung Bischof-Fried wußte.«
    »Natürlich nicht«, sagte er. »Oder?«
    »Angeblich nicht.«
    »Hatten Sie eine aufreibende Nacht?« Neugierig sah er sie an.
    »Nein. Ich hab noch nichts gegessen.«
    »Sie haben Frieds Mutter erreicht.« Er nahm ein Blatt Papier vom Tisch und ließ es wieder fallen. »In Thüringen. Die hatte seit fast einem Jahr keinen Kontakt mehr zu ihm, weil ihr jetziger Mann und Fried sich angeblich nicht verstanden haben. Na ja, die hat sich gedacht, der Bub müsse sich ausmopsen.« Er schüttelte den Kopf. »Sie hat dann wissen wollen, warum sie erst nach drei Monaten vom Tod des Sohnes erfährt, und als sie es ihr klargemacht haben – na ja, sie hat wohl gebrüllt wie ’ne Verrückte, warum er drei Monate da liegt und keiner was macht. Sie haben dann einen Arzt holen müssen, so ein verdammter Jammer.« Er schloß die Augen, fing an, seine Schläfen zu massieren. »Ist uns zum Glück erspart geblieben.«
    »Kann man sie noch irgendwas fragen? Ich meine, ob sie von Bekannten weiß, die er hier hatte.«
    »Bringt nichts«, sagte er. »Die weiß doch nichts. Leiche kann dann freigegeben werden, denke ich. Sie will ihn wohl in Thüringen haben.«
    »Wenn’s keine Angehörigen gäbe, wär’s alles bißchen leichter, oder? Wenn ich mal jemandem sagen muß, daß sein Kind – ich glaub, ich bring das nicht.«
    »Sie haben das zu bringen«, sagte Stocker. »Das hätten Sie sich alles vorher überlegen sollen.«
    Sie holte die Bildzeitung aus der Tasche und schlug das Horoskop nach. »Na also. Sie sind von Menschen umgeben, die Sie sich nicht selbst ausgesucht haben. «
    »Tja.«

Weitere Kostenlose Bücher