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Mimikry

Mimikry

Titel: Mimikry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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streichelte ihn, und er stellte die Ohren auf, zitternde, lauschende Ohren. »Was hast du gemacht? Bist dauernd rein und raus, oder? Hast doch Hunger gehabt. Hast sie gesehen.« Er legte den Kopf auf die Pfoten.
    »Ja«, sagte sie, »denk nicht mehr dran. Hör auf, dran zu denken.«
    Als sie zur Tankstelle kam, war der Kater eingeschlafen. Sie kaufte Katzenfutter, abgepacktes Scheibenbrot und vakuumverpackten Käse.
    »Das Brot ist frisch«, sagte der Tankwart.
    »Glaub ich nicht.« Sie drückte darauf.
    »Das hatten Sie doch das letzte Mal schon, da fanden Sie es gut.« Bedächtig packte er alles in eine Tüte.
    »Nein, ich fand es gut, daß Sie Brot haben, ich hab nicht gesagt – na, egal. Erzählen Sie mir jetzt bloß nichts über den Käse.« Sie ging herüber zu dem magischen Regal an der Tür, unten Waschmittel, Duschgel, Shampoo, oben ein paar Düfte. Die meisten hatte sie schon, doch stand ganz links ein kleiner Flakon, den sie auch bei Hertie noch nicht gesehen hatte. Behutsam nahm sie ihn zwischen zwei Finger und hielt ihn gegen das Licht. Wie flüssiges Kupfer schimmerte der Inhalt, wie eine Verheißung von Wärme und Meer. Wie die Nacht am Meer, ohne Gestank, mit dem Duft von Liebe überall. Sie schloß die Augen.
    »Das ist ganz neu«, sagte der Tankwart. »Wir haben ja keine Pröbchen, aber meine Frau sagt, es wär a weng schwerer. Sagen wir dann also süß zu, oder?«
    »Nicht direkt.« Mit dem Daumen streichelte sie den Verschluß. »Süß ist billiger.« Sie seufzte, sah auf den Preis. »Na gut, dann nehme ich das.«
    Er nickte. »Also, noch mal fünfundsiebzig fünfundneunzig.«
    »Sind bloß dreißig ml.« Sie seufzte erneut.
    »Zwingen tut Sie keiner.« Er tippte den Betrag in die Kasse, ein kleiner Mann mit zu großer Wollmütze, die ihm halb über die Augen rutschte. »Oder?«
    Der Kater schlief noch, als sie zum Auto zurückkam, ein schwarzweißes Bündel, zusammengerollt auf einer Decke.
    Wie diese Leiche im Stadtwald, in Decken gewickelt und krumm. Ein Mann, soviel konnte sie erkennen, als sie die Decke herunterzog. Stranguliert, die Zunge hing heraus, was seinem Gesicht einen tückischen Ausdruck gab, gelbe Flecken auf den Wangen, die Strangulationsmarke als blauroter Ring um den Hals. Kein Alter mehr, verkrümmt, verdreht in einer braunen Decke, modrig alles drum herum.
    Sie knallte die Autotür zu, riß an der Decke und der Kater wachte auf. »Ich werd dich baden müssen«, sagte sie. »Stell dich mal drauf ein.«
    Er mochte das Wasser nicht. Mit angelegten Ohren zappelte er herum, während aus dem Wohnzimmer eine CD herüberdröhnte, Smashing Pumpkins, bis die Nachbarin gegen die Wand hämmerte. Vielleicht mochte er auch die hellen Räume nicht, Julia Bischof hatte überall Kerzen gehabt. Doch hier waren nur Halogenlampen, damit es keine dunklen Ecken gab und nirgendwo schummriges Licht.
    Sie wickelte den Kater in ein Badetuch und drückte ihn an sich. Sein Herz klopfte viel zu schnell, doch sein Kopf bewegte sich neugierig hin und her. Gegenüber der Dusche eine Pinnwand mit Modefotos, schöne Gesichter, die jeden Tag im Wasserdampf beschlugen. Eine Polizeimütze diente als Vorratsbehälter für Klopapier, darüber hing ein Ausdruck aus der Homepage der Polizei: IM POLIZEIBERUF ERWARTET SIE EINE AUßERGEWÖHNLICHE FORM DER BERUFLICHEN SELBSTVERWIRKLICHUNG UND PERSÖNLICHEN ZUFRIEDENHEIT. Auf einem Glasregal die Flakons, alle Formen, Farben und Größen. Sie lehnte sich gegen das Waschbecken, als sie den neuen Duft probierte. Ein wenig wie Givenchy, ein bißchen Jil Sander, ein Hauch von Issey Miyake vielleicht, Tote rochen anders. Sie legte den Kopf zurück und atmete so tief, als gäbe es nirgends auf der Erde mehr Sauerstoff.
    Irgendwann zeigte ihr der Radiowecker auf der Fensterbank, wie lange sie schon da stand, mit dem Flakon in der Hand. Zitternde grüne Ziffern; dieser andere Wecker war vorgegangen, ein kleiner Reisewecker neben Bischofs Bett. Um 6.30 Uhr hätte er sie wecken müssen, an einem Tag, von dem man nichts wußte. Als sie erneut das dumpfe Dröhnen hörte, ging sie ins Wohnzimmer und drehte die Lautstärke noch weiter herunter.
    Hier lag alles herum, Post, Preislisten des Pizzalieferanten, CDs und neue Frauenmagazine. Der Anrufbeantworter blinkte, und eine Weile huschte sie mit dem Zeigefinger über den Abfrage-Knopf, berührte ihn kaum. Klappernde Geräusche dann, Besteck, das auf Teller fiel, ein Räuspern, »Hier Tom. Ich hab doch schon gestern angerufen. Wann

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