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Mimikry

Mimikry

Titel: Mimikry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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es aus. Lebte, ja, hatte das Zeug dazu. Konnte sich wehren. Draußen schon, bei diesem Penner, jetzt hier. Sie hatte in sein aufgeblasenes Hirn gestochen, jetzt hockte er da, als sei ihm alle Luft entwichen.
    »Möchten Sie Tee?« fragte Biggi.
    »Nein, auch nicht«, sagte die Henkel. Sie hatte Biggi die ganze Zeit nicht angesehen.
    Sie blieben nicht lange. Als Biggi vom Kopierer kam, stand Gabriels Tür schon wieder offen, man brauchte nicht viel Zeit, um über Julia zu reden. Er saß an seinem Schreibtisch und starrte auf die Platte, ohne etwas zu tun. Als er sie draußen stehen sah, zuckte er zusammen, wollte aufstehen, überlegte es sich anders und ließ sich wieder in den Stuhl fallen.
    »Die kommen noch mal«, sagte er. »Die Bullis.«
    Sie nickte.
    »Die wollen das Video sehen. Von dieser« – er holte Luft – »dieser Bischof, hast du gehört, was da passiert ist?«
    »Ja«, sagte Biggi. Leise fügte sie hinzu: »Ich habe sie gefunden.«
    »Wie, was meinst du? Kannst du nicht einmal Klartext reden?«
    »Na ja, wir haben uns ein paarmal getroffen, auf ein Bier oder so. Die hatte ja niemanden, bin ich halt mal mit.« Ihre Stimme fing wieder an zu zittern, das war meistens so, wenn sie mehr als zwei Sätze sprach. »Es war so, ich sollte bei ihr die Blumen gießen, weil sie in Urlaub wollte. Die kannte ja niemanden, da hab ich das halt gemacht.«
    »Ja und?« Gabriel rieb die Handflächen gegeneinander.
    »Sie saß – sie war in der Wohnung. Ich habe sie gefunden. Bei der Polizei sagen sie auf gefunden. Wenn ich sie nicht gefunden hätte, wäre sie verschimmelt.«
    Gabriel öffnete den Mund, aber es dauerte noch eine Weile, bevor er fragte: »Du hast die gesehen? «
    Biggi nickte. Sie hatte es doch gerade gesagt.
    »Wie sah die denn aus?«
    »Es war alles voller Blut und die Nase war ganz schief. Hat ausgesehen, als wär sie gefallen und hat sich wieder aufgerappelt. Als hätte sie nicht liegenbleiben wollen.«
    Gabriel nahm sich eine Zigarette. »Ob das ein Perverser war? Ob der irgendwie reingekommen ist?«
    »Weiß nicht.«
    Er glotzte seine Zigarette an, strich sanft mit einem Finger über den Filter. »Jedenfalls wollen die das Video sehen, und das war nicht da. Kümmere dich mal darum, ich will das Video haben.«
    »Ja«, sagte Biggi. Wahrscheinlich hatte er wieder nicht richtig gesucht. Er konnte nie etwas finden. Er stand auf und knallte die Tür zu, dann sah sie ihn den ganzen Tag nicht mehr.
    Abends, als sie zu ihrem Auto ging, lungerte dieser Mann wieder auf dem Parkplatz herum, ein Mann mit einem Schild: BIN AM HERZEN KRANK, daneben eine Büchse. Zweimal die Woche hockte er da, immer auf dem Boden, obwohl es doch eine Bank auf dem Parkplatz gab. Diesen Hund hatte er wieder dabei, ein frierendes kleines Vieh mit rotem Halstuch. Einmal hatte der Hund auf der Bank gesessen und der Mann vor ihm auf dem Boden. Biggi hatte Angst, wenn er sie ansprach, manchmal machte er das ja. Sie wußte dann nicht, wie sie sich verhalten sollte; es war doch so mit diesen asozialen Kerlen, die lachten sich tot über Leute, die nicht wußten, was sie tun und sagen sollten. Sie könnte sein Handgelenk packen und es hochreißen, in den Staub könnte sie ihn stoßen und dann liegen lassen. Aber er tat ihr ja nichts. Er hatte keine richtige Stimme, eher ein dumpfes Dröhnen, so, als trinke er zuviel und redete zuwenig. »Fräulein, hätten Sie ’ne Aufmerksamkeit?« Mit dem Oberkörper wippte er vor und zurück, immer wieder vor und zurück.
    Biggi ging weiter, man durfte nicht hinsehen, sonst hörten sie nie damit auf.
    »Nase in die Höhe«, krächzte er. »So ist recht, doofe Kuh.«
    Biggi schloß ihren Wagen auf, dann drehte sie sich um und fragte: »Wie sind Sie denn drauf?« Ein Hall im Kopf, doch die Polizistin hatte es anders gesagt. Nicht so dumpf und so klein.
    » Wie bitte? «Der Mann hatte so gierige Augen, als hätte sie ihn gefragt, wieviel er denn wollte. In seiner Armseligkeit würde er in Gabriels Sendung passen. Daß er mit seinem Jammer dann in aller Munde wäre und alle es wußten, alle es sehen konnten, jeder da draußen, das hätte ihm vielleicht sogar Spaß gemacht.
    Biggi drückte eine Hand in den Nacken und richtete sich auf, doch der Mann starrte sie weiter an und sie ließ sich in den Wagen fallen. Der kleine Hund sah zu und hob eine Pfote zum Gruß.
    Zu Hause zog sie die Schuhe aus und wischte mit einem Lappen über die Stelle am Boden, die die Schuhe berührt hatten. Sie mochte keinen Dreck in

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