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Mimikry

Mimikry

Titel: Mimikry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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hin.«
    »Wohin?«
    »Na, in die Show. Aber mir ist noch nichts Gescheites eingefallen. Da kommen nur Leute rein, die nicht so ganz beieinander sind, wie es halt ist, Leute mit Problemen. Es sitzt meistens ein Psychologe im Publikum, der dann weiterhilft. Julia hat über das Alleinsein gesprochen. Sie war nicht besonders gut, haben Sie’s gesehen?«
    »Noch nicht«, sagte Ina Henkel. »Warum hatten Sie keinen Kontakt mehr?«
    »Bitte?«
    »Sie sagten, Sie waren früher einmal mit Julia befreundet. Warum hat das aufgehört?«
    »Wie das so ist.« Vera Seifert versuchte ein Lachen, doch es kam so etwas wie ein Husten heraus. »Es war so, ich hatte damals jemanden kennengelernt, da blieb halt nicht mehr viel Zeit. Außerdem muß ich sagen –«
    »Ja?«
    »Daß Julia mich gestört hat mit ihrem Jammer, ich hatte das satt, wissen Sie? Immer zu sehen, wie sie da trübsinnig in ihrer Wohnung hockt, und wenn ich sie gefragt habe, was sie am Wochenende gemacht hat, na ja, dann hieß es halt, sie wäre zu Hause gewesen, wäre mal spazierengegangen – ich konnte es nicht mehr hören. Wenn man selber nicht so beieinander ist, dann stört das einfach, ich meine, dann kotzt einen das schon an.« Sie seufzte. »Außerdem, wie gesagt, hatte ich dann jemanden kennengelernt.« Sie schloß die Augen, und dann hob sie ruckartig den Kopf, als sei sie aus einem viel zu kurzen Traum erwacht. »Nein, nach der Show hatten wir keinen Kontakt mehr, Julia und ich.«
    »Hat Julia ihn auch gekannt?«
    »Wen?«
    »Ihren –« Ina Henkel rieb sich die Nase. »Diesen Mann, den Sie –«
    »Aber nein.« Vera Seifert sah sie an, als hätte sie etwas Unpassendes gesagt. »Kann ich die Ordner haben?«
    »Später.«
    Vera Seifert hob die Schultern. »Dann gehe ich jetzt.« Sie tat es aber nicht, das machten viele so.
    »Danke«, sagte Ina Henkel.
    »Ich laß die Blumen hier.« Mit vorsichtigen kleinen Schritten ging Vera Seifert zur Tür. Auf der Treppe fing sie an zu rennen. Ina Henkel nahm den Blumenstrauß und legte ihn auf Bischofs Sofa. Als sie das rote Siegel wieder über das Schloß klebte, öffnete Frank Hilmar seine Tür.
    »Spannen Sie wieder, Herr Hilmar?«
    »Hi.« Er lächelte. »Wo sind denn die Blümchen?«
    »Wann haben Sie Julia Bischof eigentlich zum letzten Mal gesehen?« Sie ging an ihm vorbei auf die Treppe zu.
    »Weiß ich nicht. Muß ich das wissen?«
    »Erinnern Sie sich denn, was sie Ihnen zuletzt erzählt hat?«
    »Was sie so reden.« Hilmar lehnte sich gegen den Türrahmen und drehte seinen Ohrring zwischen zwei Fingern. »Scheißwetter, Superwetter, blöder Regen, tolle Sonne, suchen Sie sich was aus.«
    Sie legte eine Hand auf das Geländer und drehte sich um. »Sie sagten doch, Sie hätten nie mit ihr geredet.«
    »Das nennen Sie reden?« Hilmar strich sich über das kurzgeschorene Haar. »Ja, dann kann ich Ihnen auch nicht helfen.«
    »Wie sah die Frau aus, die Sie kürzlich bei Julia Bischof gesehen haben?«
    »Welche Frau?«
    »Sie sagten ebenfalls, eine Frau hätte sie besucht.«
    »Die hab ich nur gehört, nicht gesehen.«
    »Tatsächlich?«
    » Haaach, grüüüß dich. «Wie ein Prediger hob er beide Arme. »So ist das, wenn beste Freundinnen kommen, ein einziges Gegickel, ist das bei Ihnen nicht so?«
    »Sie haben nicht zufällig –« Sie deutete auf den Spion auf seiner Tür. »Würde mir helfen, hätten Sie’s getan.«
    »Hat mich nicht interessiert.« Er ging zwei Schritte zurück. »War’s das? Kommt noch was?«
    »Vorläufig nicht.«
    »Vorläufig nicht«, wiederholte er. Er lachte und schloß die Tür.
    Ina Henkel stand noch eine Weile da, ohne sich zu rühren. Irgendwo bellte ein Hund und man hörte das Klappern von Töpfen. Am Morgen hatte sie zwei Teller fallenlassen oder vielleicht sogar vom Tisch gefegt, ganz klar war das nicht. Sechs Uhr dreißig und eine halbe Minute, der Verkehrsfunk hatte erste Staus gemeldet. Sie hatte ein paar Minuten lang auf die Scherben gestarrt und dann die Kopfhörer des Walkman aufgesetzt, Gitarren, Schlagzeug, Baß, viermal dasselbe Stück, immer lauter, mit geschlossenen Augen. Das ganze Zeug lag jetzt noch herum, sie hatte nur die Küchentür geschlossen, damit der Kater sich nicht verletzte. Sie war wieder nicht rechtzeitig losgefahren.
    In Hilmars Wohnung krachte etwas auf den Boden. Sie wartete auf den Fluch, doch es blieb still.

13
    Der Mann und die Frau saßen wie Puppen da, mit großen Augen, die ins Leere blickten. In den tiefen Ledersesseln waren sie nach

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