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Mimikry

Mimikry

Titel: Mimikry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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muß. Ich hatte auch eine Venenoperation, die ist aber mißlungen, ich hab die Krampfadern immer noch, das ist auch mal ein Thema: Ärztepfusch. Aber am schlimmsten ist es mit der Galle.«
    »Ach, die Galle.« Sie lachte. » Ich war früher nicht manischdepressiv. Das kam nur, weil er mir dauernd so zugesetzt hat, na, ich werde das nachher mal erklären. Jetzt hocke ich zu Hause rum und frag mich, ob das mein Leben war. Das geht vielen so. Körperliche Symptome, Magen und Darm und alles. Das ist alles psychosomatisch.«
    »Quassel nicht«, sagte der Mann. »Bist noch nicht dran.« Als Gabriel ins Zimmer kam, wollte er aufspringen, doch er kam aus diesem tiefen Sessel nicht heraus.
    »Bleibt sitzen«, rief Gabriel, er trug seinen Ich helf dir -Blick . Eine Stunde vor der Sendung setzte er ihn auf, seine Augen konnten dann lächeln. Er hatte haselnußbraune Augen, das hatte eine Frauenzeitung mal geschrieben, haselnußbraune Augen mit sanftem Blick. »Jo, ihr seid also die Christel und der –«
    »Marx«, rief der Mann, »Marx, wie Karl. Aber Robert.« Er ließ sich wieder zurückfallen, mit ausgestreckten Puppenbeinen, Leichenbeinen.
    »Wie?« fragte Gabriel.
    »Marx«, wiederholte der Mann. »Ich bin aber der Robert, nicht der Karl.«
    »Das sagt er immer«, sagte die Frau.
    »Schön, in der Sendung duzen wir uns ja alle.« Gabriel setzte sich.
    »Ich wollte einmal Sonnenstrahlen in der Hand halten.« Robert Marx lachte. Sekundenlang sah er aus, als träume er seinem ganzen Leben hinterher. »Kann ich so anfangen?«
    Gabriel lächelte und berührte ihn am Arm, fast zärtlich sah das aus. Dann deutete er mit dem Daumen hinter sich zur Tür, wo Biggi noch immer stand. »Ist das mit dem Honorar endlich erledigt?«
    Biggi mochte es nicht, wenn er vor Leuten so mit ihr sprach. Mit einer wie dieser Polizistin würde er niemals so reden, das traute er sich nicht. Die hätte ihm jetzt auch die richtige Antwort gegeben, vor allen Leuten.
    Biggi nickte und hörte die Frau sagen: »Wir haben einen Scheck bekommen. Viel ist es ja nicht.«
    Gabriel hätte das wissen müssen, Biggi erledigte, was zu erledigen war. Manchmal glaubte sie, er hatte Spaß daran, sie dumm hinzustellen vor solchen Leuten.
    Sie räumte ihren Schreibtisch auf. Noch längst nicht Abend, doch sie hatte alles erledigt. Zuoberst lag der Sendeplan mit den Namen Robert und Christel Marx. Sie durfte ihn nicht zerreißen. Sie schnippte mit zwei Fingern dagegen, dann knallte sie die Faust darauf.
    Draußen war es mild, der erste schöne Tag seit langem. Biggi ging zu ihrem Wagen. Bald würden überall die Lichter glühen, und man sah Leute Hand in Hand ihr kleines Glück spazierenführen. Albern, sie protzten so herum, und man wußte dann nie, wo man hingucken sollte. Sie kurbelte das Fenster herunter. Bis zum Polizeipräsidium war es nicht so weit, das lag ja fast auf dem Heimweg.
    Bloß ein kleiner Schlenker. Das düstere Gebäude hatte ihr schon beim ersten Mal nicht gefallen. Es war auch nicht besonders spannend, Streifenwagen fuhren heraus und herein, kein Mensch in Handschellen schrie, er habe nichts getan. Biggi saß in ihrem Wagen auf der anderen Straßenseite und sah herüber. Vielleicht war es Glück, vielleicht war es irgendwas, denn gerade als sie wegfahren wollte, fuhr der weiße Astra direkt an ihr vorbei in den Hof. Biggi hörte laute Musik aus seinem Innern, dumpfe Bässe und kreischende Gitarren. Sie mochte diese Musik nicht, aber vielleicht hatte sie sich noch nicht richtig damit befaßt, vielleicht war es ja Musik, die betäubte. Sie griff nach der Tasche unter dem Fahrersitz.
    Die Henkel sah aus, als käme sie mit neuen Sachen aus der Boutique und hätte alles gleich anbehalten. Ihre Hose war eine graue Röhre und unter einer schwarzen Leinenjacke hatte sie ein weit ausgeschnittenes Trägerhemd; Sachen, von denen Biggi dachte, daß sie ordinär waren, zuviel von dem zeigten, was niemanden etwas anging. Aber sie liefen ja alle so herum. Sie wußten, daß sie gut aussahen und man sah ihnen an, daß sie das für selbstverständlich hielten. Biggi hatte so etwas noch nie getragen, man fror in diesen engen Sachen und wurde vielleicht angestarrt. Sie konnte das auch gar nicht tragen, zumindest nicht so enge Hosen und schon gar keine Pumps. Obenherum schon, die Jacke ginge und so ein enges T-Shirt auch, fett war sie ja nicht, sie müßte sich vielleicht nur trauen. Das hatte auch ihre Mutter immer gesagt, obwohl sie deren Worte nie ernst nahm, »Trau

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