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Mimikry

Mimikry

Titel: Mimikry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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– die Sammlung.« Vera Seifert hob einen Arm und ließ ihn wieder fallen. »Julia hatte ihre Sammlung immer in der Küche.«
    »Nein«, sagte Ina Henkel, »wir haben – welche Sammlung?« Sie sah zu, wie Vera Seifert den Küchenschrank öffnete und hinter Töpfen und Pfannen drei Aktenordner herauszog. Sie stieß die Luft aus, schüttelte den Kopf.
    Vera Seifert lächelte. »Julia hing daran, und sie wußte, was man in den Küchenschrank steckt, ist sicher.«
    »Eigentlich nicht.« Ina Henkel trat einen Schritt zurück, um sich den Küchenschrank noch einmal anzusehen, dann schlug sie einen der Ordner auf, Julias Welt, ihre Träume vom Glück. Tom Cruise fiel heraus. Autogrammpostkarten, Zeitungsausschnitte, aus Zeitschriften herausgeschnittene Bilder, akribisch geordnet und in Klarsichthüllen geschoben, Leonardo DiCaprio, Madonna, Tom Cruise und immer wieder Gabriel. Ihm stand ein eigener Ordner zu, Gabriel mit einer Frau auf einer Party, Gabriel mit einer anderen Frau auf einer Vernissage, Gabriel im Interview, » Meine Gäste flehen um Hilfe und ich höre ihnen zu « , Gabriel in Klatschmeldungen und kleinen Artikeln, alle handschriftlich datiert und geordnet, » So lebt ein Talkmaster – Zu Hause bei Gabriel Mosbach « .
    »Wir haben hier so oft gesessen und uns das alles angeguckt.« Vera Seifert bedeckte ihr Gesicht mit beiden Händen. »Man kommt so schön ins Träumen.«
    Ina Henkel sah auf das Foto des lächelnden Gabriel. » Herzliche Grüße « , darunter ein gestempelter Namenszug. Engel waren körperlos; Gabriel als flüchtiges Geschöpf, verborgen hinter Klarsichthüllen. Engel wiesen den Weg ins Paradies. » Gabriel und ich sind nicht für die Hölle gemacht « , hatte sie in ihr Tagebuch geschrieben, » nur für den Himmel. «
    »Hier.« Vera Seifert blätterte eine Seite um. »Das war Gabriels erste Frau, die Alice. Die konnte nicht kochen, jedenfalls hat die Presse das geschrieben. Die hier ist die Regina, mit der war er zwei Jahre zusammen. Julia hat sie gehaßt, aber sie waren halt auf den Fotos zusammen so schön.«
    »Hat Julia –« begann Ina Henkel, und Vera Seifert sagte: »Die erste, die Alice, die hat ihn ja nur genommen, weil er beim Fernsehen ist, da hat sie das große Geld vermutet. Aber ich glaube, so viel bleibt dem gar nicht, denken Sie mal an die Steuer. Der hat er ja auch ganz schön was zahlen müssen, unverschämt, was die verlangt hat.«
    »Wissen Sie, ob Julia –«
    »Er tut ja auch viel für die Armen, er hat für Obdachlose gespendet. Das tun nicht alle, wissen Sie?«
    »Ich kenn mich da nicht so aus«, sagte Ina Henkel.
    »Die meisten denken ja doch eher an das schöne Leben, haben Häuser in Marbella.«
    »Wann hat Julia angefangen, das zu sammeln?«
    »Haben Sie denn nichts gesammelt?« Vera Seifert schlug die Seiten um, tausend Geschichten, tausend bunte Träume. »Sie haben nie gesammelt?«
    »Doch.« Ina Henkel seufzte. »Den Bravo-Starschnitt.«
    »Aber das ist doch Kinderkram.«
    »Ja klar.«
    »Wer war es denn?«
    Ina Henkel hob die Schultern. »Nick Cave, glaub ich. Springsteen, ich weiß nicht mehr.«
    Vera Seifert schüttelte den Kopf. »Ich meine richtige Stars.«
    »Sind es doch.«
    »Nein.«
    »Na dann nicht.« Ina Henkel lehnte den Kopf gegen die Wand.
    »Von Stars kann man träumen.« Lächelnd blickte Vera Seifert auf den aufgeschlagenen Ordner. Wie ein unbeseelter Engel lächelte Gabriel Mosbach zurück, ein Lächeln, das jedem galt oder keinem.
    »Frau Seifert, ich möchte wissen, ob Julia –«
    »Madonna ist da ja eher etwas gewagt. Die muß einem liegen –« Vera Seifert verstummte. Eine Weile sahen sie einander an, als warte jede auf das Wort der anderen, dann fragte Ina Henkel leise: »Hat sie den Mosbach persönlich gekannt?«
    »Wie meinen Sie das?« Vera Seifert klappte Gabriels Ordner zu. »Natürlich hat sie ihn kennengelernt. In seiner Show, Julia war doch in seiner Talkshow.«
    »Haben sie sich danach gesehen? Haben sie sich näher gekannt, Julia und –« Mit einem Finger deutete Ina Henkel auf den Ordner, als hocke eine Fliege darauf.
    Vera Seifert versuchte zu lächeln, doch dann wurde ihr Gesicht zur Maske. »Wie stellen Sie sich das denn vor? Sie wollte in diese Show, sie wollte ihn kennenlernen. Und sie hat es geschafft. Das war die größte Tat ihres Lebens, was denn noch?«
    Draußen eine Hupe, ein Fluch. In der Wohnung unter ihnen fiel eine Tür ins Schloß. Vera Seifert legte den Kopf in den Nacken. »Ich möchte da auch einmal

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