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Mimikry

Mimikry

Titel: Mimikry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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»Das können Sie nicht machen. Der Czernitzki –«
    »Czerwinski.«
    »– ist ein potentiell – der ist doch alle Reviere durch.«
    »Der arbeitet –«
    »Diebstahl, Autodiebstahl –«
    »– als Portier!«
    »Haschischhandel, der ist –«
    »Lassen Sie mich einfach in Ruhe, ja?«
    »SIE HABEN DEN DOCH SELBST VERNOMMEN!«
    »WIR WAREN NICHT ZUSTÄNDIG!«
    »Schreien Sie nicht.« Er schlug die Hände zusammen. »Sie sind verrückt. Das ist ein kleiner Aufschneider mit seinen ganzen Kontakten, der hängt rum, der erzählt das doch jetzt überall, verstehen Sie, das ist rum! Der erzählt doch, Verzeihung, daß er eine Kriminalbeamtin bumst, das ist peinlich –«
    »Hören Sie auf, verdammt! Das ist krank, was Sie sagen. Der hat einen Job und macht nichts anderes mehr.«
    » – in gewisser Weise untragbar. Eine Beziehung mit einem –«
    »Haben Sie mal gesehen, wie er –«
    »Was?«
    »– lächelt?« Sie sah in den Rückspiegel. Hinter ihnen ein Bus mit abgedunkelten Scheiben.
    »Wieso?« fragte er.
    »Seine Hände?«
    »Was soll ich mit seinen Händen?« Stocker sah auf seine eigenen. »Eines sage ich Ihnen –«
    »Sie sagen mir gar nichts.«
    »Passen Sie bloß auf. Das ist ganz dünnes Eis.«
    Sie bremste, als ein Hund auf die Straße rannte. Ein Mann rannte hinterher, schrie: »PAUL.« Sie fuhr so scharf wieder an, daß Stocker zurückgeworfen wurde. »Ich laß Sie gleich raus mit Ihrem Gesabbel, dann können Sie die zu Fuß besuchen.«
    »Ihn.« Er sah wieder aus dem Fenster. »Bei dem Mieter soll es sich um einen Mann handeln. Man hat nicht so genau hingesehen.«
    Eine Weile sagte sie gar nichts, dann zitterte ihre Stimme. »Was heißt soll? Ist das ein Transi, oder was? Bei der Sitte hatten wir ein paar hübsche von denen, da kommen Sie echt ins Schwimmen. Manchmal sind die ja so fett wie nur was, schlecht rasiert, aber einer war dabei, da standen die Freier Schlange, ich meine, stinknormale Freier, die haben das gar nicht gecheckt. Wissen Sie, wie die das machen? Die binden ihr Ding nach hinten – welche Hausnummer ist das denn?« Ruckartig holte sie Luft. Ihre Fingerspitzen schlugen immer wieder leicht auf das Steuer, ein Trommelwirbel, ein wirrer Tanz.
    »Neunundvierzig, Haus F.« Stocker sah zu. Ihre Finger folgten keinem Rhythmus, bewegten sich wie von selbst, hämmerten gegen das gleichförmige Getrommel des Regens an. Sie zitterten, als sie die Hand vom Steuer nahm. Er seufzte, sah weg. »Sind Sie fertig?« fragte er. »Oder wollten Sie noch etwas sagen?«
    »Was soll ich denn sagen?«
    Ein hupender Wagen vor ihnen auf der Brücke, eine winkende Hand, ein Siegeszeichen. Ein Motorrad überholte, der Fahrer hob ebenfalls die Hand. »Haben Sie gegessen?« fragte Stocker.
    »Wieso, wollen Sie etwa mit mir essen gehen? Da verzichte ich gerne. Ich hab’s eh am Magen, und wenn Sie mir beim Essen weiter so einen Mist erzählen –« Sie bremste wieder ab, fuhr fast Schrittempo. Die Häuser hinter dem Fluß als glitzernde Konturen, beleuchtete Fenster wie Sterne.
    »Am Magen. Super.« Er stöhnte. »Es erwartet Ihren empfindlichen Magen ein –«
    »Spielen Sie sich nicht auf, ich habe Magenschmerzen, schlecht wird mir nicht. Ich hab noch nie auf ’ne Leiche gekotzt, und wenn Sie sich erinnern, ist das der Remsmeier gewesen, dieser Superbulle, der hat –«
    » Der Kamerad – «
    »Ja, ich höre zu.«
    »– ist, wie gesagt, in keinem guten Zustand. Hieber meint – schon wieder Hieber, der Unglückswurm – er meint, er hätte nicht mehr viel erkannt. Hat allerdings auch nicht so genau hingesehen. Sie kennen diese Hochhäuser, wohnen zwo-, dreihundert Mann auf einem Haufen, grauenhaft, verwinkelte Gänge, alles undicht, zieht da überall, ständiger Luftzug. Darum hat’s wahrscheinlich gedauert. Hören Sie zu?«
    Sie nickte.
    »Der Kamerad liegt, wie gesagt, schon länger. Hieber sagt, der Nachbar hat geglaubt, irgendwer renoviert und das müßten sie halt ertragen, aber so riecht halt keine Farbe. Wohnen hauptsächlich Ausländer da, wahrscheinlich haben die sich nicht getraut, nachzufragen, oder was weiß ich, war ihnen egal – also, jetzt könnten Sie allerdings ein bißchen schneller fahren. Was ist?«
    »Hausnummer.« Ihre Stimme klang heiser.
    »Neunundvierzig F. Das habe ich schon gesagt.«
    »In so ein Hochhaus kriegen mich keine zehn Pferde. Ich meine, zum Wohnen.« Sie machte mit dem Tanz der Finger auf dem Oberschenkel weiter. »Immer dieses Aufzugfahren, dann kommen Sie irgendwann

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