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Mimikry

Mimikry

Titel: Mimikry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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lachte, sagte, daß es ein schlaues kleines Handy sei, daß es keine Minute früher hätte klingeln dürfen. Sie seufzte, drückte ihm zwei Finger auf die Lippen, als sie sich meldete. Dann schloß sie die Augen.
    »Was ist?« fragte Czerwinski.
    »Ich muß weg.« Sie ließ das Handy über den Boden rutschen, rieb sich die Stirn.
    »Ist was passiert?«
    »Ich sag doch, ich muß weg, ich hab doch gesagt, daß ich Bereitschaft habe, oder hast du das nicht gehört?« Sie sprang über ihn hinweg, warf ihm ein Kissen auf den Kopf. Drei Minuten nur fürs Bad; als sie herauskam, zog er sein Zeug an und fragte: »Jemand tot?«
    »Hör auf.«
    »Jemand tot, ich weiß.« Er sah zu, wie sie versuchte, den Rock glattzukriegen, er hatte auf dem Boden gelegen, und er sagte, daß sie darauf herumklopfte, als sei es jemand, den sie nicht mochte. Als der Niesanfall zurückkam und sie die Faust unter die Nase drückte, sagte er: »Du hast was genommen, du hast kleine Pupillen.«  ^
    Einen Moment lang sah sie ihn an, dann hob sie die Schultern. »Ja, vorhin im Auto. Es bringt aber nichts.«
    »Im Auto? «
    »Ja, Mensch, hier. Hier vor dem Haus, glaubst du, beim Fahren?«
    »Was denn, Koks?«
    »Du spinnst ja. Nur ’ne Pille.« Sie räusperte sich. »Zwei. Bringt aber nichts, außerdem hab ich die zerbissen, und das vertrage ich irgendwie nicht, das brennt dann wie Feuer in der Nase, ich weiß auch nicht – aber wach werde ich nicht.«
    »Probier doch mal schlafen.« Er umfaßte sie von hinten. »Wenn du richtig schläfst, bist du von selber wach.« Vierte oder fünfte Hauptsache im Leben: richtig schlafen. Sechs bis sieben Stunden, sonntags keinesfalls länger, sonst kam man aus dem Tritt.
    »Ich schlafe aber nicht richtig«, sagte sie, »das ist der Punkt.«
    »Warum denn nicht?«
    »Hör auf, mich zu nerven, Tommy, immer dieses Warum, Warum, Warum. Deine ewigen Spätschichten stehen mir auch bis oben, weißt du?«
    »Aber deswegen hab ich doch die Arbeit bekommen.« Er zupfte sie am Ohr. »Keiner wollte die Spätschichten machen, nur ich.«
    »Immer dieses blöde Loch hier.« Sie sah auf die Uhr und drehte sich ein paarmal ohne Ziel.
    Er fragte: »Hast du Angst?«
    » Wieso? «Fast hatte sie gebrüllt; sie räusperte sich. »Ich seh bloß Leichen, weißt du. Die springen nicht hoch.«
    Er rieb sich die Nase und sagte nichts mehr.
    Draußen küßte er sie. Sie schlang die Arme um seinen Nacken, und als er den Kopf hob, sah sie das aufleuchtende Taxischild. Fünf Meter entfernt stand Stocker. Wie im Film.
    Er stand breitbeinig da, als hätte er einen Cowboyhut auf und würde auf der Stelle einen Colt ziehen. Gezielt sah er an Ina Henkel vorbei und rief: »Guten Abend, Herr Czernitzki!«
    »Czerwinski. Vorne mit Cäsar-Zacharias und hinten –«
    »Mit Isidor.« Stocker starrte ihn an.
    »Mit Ida.«
    Sie flüsterte: »Tschüs«, und Czerwinski nickte nur, sah zu Stocker wie auf einen bösen Geist. Dann strich er sich das Haar hinters Ohr und schlurfte zurück ins Hotel.

18
    Nieselregen, die Straße funkelte im Licht der Leuchtreklame. HOTL OLMP, gelbes Licht, kaputte Buchstaben, es sah sowieso niemand hin. Sie hatte Schwierigkeiten mit dem Wagen, das Mistding spuckte immer bei Regen, drei Fehlzündungen, vier. Sie schlug auf das Steuer und die Hupe ging los. »Ich hatte Tankstelle gesagt.«
    Stocker legte den Kopf schief, um zum Hotel zurückzusehen. »Die ist nicht in Betrieb. Schon gemerkt?«
    Der Wagen ruckte, fuhr langsam an. Sie öffnete das Handschuhfach und klappte es gleich wieder zu. »Also, was heißt, die Leiche ist nicht frisch, erzählen Sie nicht so ein Zeug, wo ist das überhaupt?«
    »Wenn ich mir vorstelle –« Stocker zog an seinen Fingern. »Ben-Gurion-Ring, die Hochhäuser. Liegt im ersten Stock. Schlechter Zustand.«
    »Das ist ja ’ne Weltreise. Wieso sind Sie nicht gleich dahin?«
    »Weil Sie näher waren. Außerdem komme ich nicht gerne mit dem Taxi zum Einsatz, wie sieht das denn aus.«
    »Ja, immer drauf achten, wie was aussieht. Wo waren Sie denn?«
    Stocker zog an seinen Fingern, daß sie knackten.
    Sie drehte den Kopf. »Hören Sie auf, das macht mich nervös. Na gut, müssen die wenigstens nicht Aufzug fahren. Die Träger waren doch mal im einundzwanzigsten Stock von so ’nem Ding, da blieb der Aufzug stecken, waren Sie da dabei? Standen sie mit ihrer Kiste, der eine hat Panik gekriegt.«
    »Fahren Sie langsamer, es kommt nun wirklich nicht auf fünf Minuten an.« Er sah aus dem Fenster, sah Regen.

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