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Mimikry

Mimikry

Titel: Mimikry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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hatte die Nerven dazu.
    Als Biggi zehn Minuten zu früh ins Präsidium kam, sah sie die Henkel im Flur vor ein paar Männern stehen. Sie sah zu Biggi herüber, auf diese etwas kurzsichtige, zerstreute Art, dann brachte sie sogar ein halbes Lächeln zustande, sagte: »Einen Moment noch.«
    Sie hatte nichts gesehen.
    Biggi setzte sich auf eine Bank und zupfte an ihrem neuen schwarzen Rock herum. Sie trug ihn das erste Mal vor Leuten. Die Henkel lehnte sich gegen das Treppengeländer. Sie hatte die Haare heute hochgesteckt, Strähnen fielen ihr ins Gesicht. Sie trug Jeans, was ein bißchen merkwürdig war, einfache Jeans, wie Biggi sie selber trug, als hätte sie sich von einer Bankerin in eine Studentin verwandelt, wie man sich das vorstellte. Es sah nicht so gut aus. Doch sie stand aufrecht vor diesen Leuten, ohne zu wanken. Reporter. Sie schrieben auf, was sie sagte.
    Sie blätterte in einem Ordner. »Der Mann, der sich vom Tatort entfernt hat, wird als etwa eins siebzig beschrieben. Helle Hose, dunkle Jacke mit Kapuze – wahlweise auch eine Mütze, also auf jeden Fall etwas auf dem Kopf, etwa dreißig bis fünfunddreißig Jahre, und er soll, ehm, dunkelhaarig sein.«
    Einer der Männer lachte.
    »Zeugen beschreiben ihn als orientalisch aussehend. Schreiben Sie bitte nicht, daß wir das sagen. Zeugen sagen das. Wenn Sie das jetzt so formulieren, daß wir von dem Typen Hilfe erwarten, wäre mir das lieb. Soll uns bei den Ermittlungen helfen, bla bla.«
    »War das Opfer Asylbewerber?«
    »Das sagt Ihnen die Pressestelle.«
    »Aber Sie waren doch vor Ort.«
    »Ja, wie soll ich sehen, ob einer Asylbewerber ist?«
    »War er dunkelhaarig?« Alle Reporter kicherten, als spielten sie ein Gesellschaftsspiel.
    Die Henkel sagte: »Sehr dunkelhaarig. Auch dunkelhäutig, darf man das sagen?«
    »Schwarzer?«
    »Nein, so nun auch nicht. Farbig oder so.«
    »Na, na!« sagte einer. Er ging einen Schritt nach vorn, wollte wohl in ihren Ordner glotzen, da hob sie kurz die Hand, als verscheuche sie Fliegen. Er ging einen Schritt zurück. Biggi nickte.
    Die Henkel unterdrückte ein Gähnen. »Es gibt schwache Hinweise, daß es sich bei dem Opfer um einen Illegalen handelt, aber da geht es nicht weiter. Wir haben drei Wochen lang alles abgeklappert, nichts. Ich möchte ganz einfach, daß Leute sich melden, das ist doch eine lebhafte Straße da.«
    Sie hätte wohl besser belebt gesagt, aber darum, wie andere ihre Worte aufnahmen, scherte sie sich nicht.
    »Das war gegen neun Uhr abends, da sind doch noch haufenweise Leute unterwegs.«
    Sicher, sie kannte es nicht anders, war abends unterwegs, ging in Kneipen, in Kinos, ging überall hin.
    Ein anderer fragte; »Was ist denn mit der letzten Leiche? In diesem Hochhaus? Soll doch ewig da gelegen haben.«
    »Die Pressestelle hat Sie informiert.«
    »Können Sie nicht –« fing er wieder an, und die Henkel sagte: »Kann ich nicht, nein.« Aufrecht stand sie da, wurde angestarrt von Leuten und kümmerte sich nicht darum. Sie würde nicht darüber nachdenken, ob sie alles richtig machte, auch hinterher nicht. Sie würde nicht überlegen, was sie gesagt und nicht gesagt und besser doch gesagt hätte. Sie schien das alles sogar schon vergessen zu haben, als die Leute gegangen waren und sie alleine da stand. Den Blick auf ihre Papiere geheftet, sagte sie: »Sie können schon reingehen.« Dann sah sie zu Biggi hin, ein bißchen genervt vielleicht, von was auch immer. »Da vorne, Sie kennen es ja.«
    Die Tür war angelehnt. Biggi blieb stehen, wartete, bis sie von innen aufgerissen wurde. Stocker sah überrascht aus, als hätte er heraus gewollt und nicht mit ihr gerechnet.
    »Nehmen Sie Platz«, rief er, was so klang, als begrüße er Gäste auf einer Party. Biggi konnte sich denken, daß man Gäste so begrüßte, munter, Freude heuchelnd.
    »Tja«, sagte Stocker, dann war wieder Ruhe, und er fing an, in einem Ordner zu blättern. Sie schienen ratlos ohne ihre Ordner und Hefter, Dutzende lagen auf den beiden Schreibtischen herum, Stifte, Zettel, Disketten und eine Bildzeitung mit aufgeschlagenem Horoskop.
    Biggi fragte: »Sind Sie –«
    »Na?« Stocker lächelte sie an.
    »Ich meine, sind Sie die ganze Mordkommission hier, Sie und –«
    »Ach nein, nein. Da gibt’s schon noch Kollegen.« Er lächelte, als er auf seine Papiere sah, und als er den Kopf hob, lächelte er noch immer, doch seine Worte paßten nicht zu diesem Lächeln. »Es ist so, Sie wissen ja von diesem Todesfall – von diesem,

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