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Mimikry

Mimikry

Titel: Mimikry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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keins«, sagte sie. »Das ist ja die Scheiße. Was mach ich denn jetzt? Da hat ihn dieser Junge in der Kneipe mit einer Frau gesehen, die Bischof vielleicht.« Sie deutete zur Decke. »Er hier kommt mit einem Lederschwulen, ich weiß auch nicht –«
    Hieber lächelte. »Der Freund meiner Tochter ist auch immer in Leder gekleidet, der fährt nämlich Motorrad.«
    »Erinnern Sie sich an die Nachbarn der Bischof?« Draußen setzte sie ihre Sonnenbrille wieder auf. Am Straßenrand hockte ein Kind und tauchte ein Stöckchen in den Gully.
    »Bischof, ja.« Hieber sah dem Kind zu. Es schnaufte vor Anstrengung und fing an zu weinen, als das Stöckchen im Gully verschwand. »Man munkelt, es gibt Übereinstimmungen.«
    »Haben Sie den Typ gesehen, der Bischof gegenüber wohnt?«
    Hieber schüttelte den Kopf.
    »Hilmar heißt der. Kurze Haare, Ohrring, Lederzeug, Schnauzer. Der hat uns erzählt, daß er jede einzelne Folge dieser bescheuerten Talkshow guckt, in der Bischof und Fried waren, und die Leute da drin zum Kotzen findet. War ein Versuch. Durchgeknallt vielleicht.« Sie nahm ihr Notizbuch, in dem nicht allzuviel stand. Merkwürdige Zeichnungen überall, kleine Kreuze, kleine Männchen. »Diese elende Pusselei«, sagte sie. »Ich glaube, das wird nichts.«
    Hieber nickte. Seine Frau hatte gesagt, sie freue sich auf einen ruhigen Sonntag. Morgens, als er gegangen war, hatte sie angefangen, Kuchen zu backen, den elend süßen, den er nicht leiden konnte, aber das hatte er sich nie zu sagen getraut. In einundzwanzig Jahren Ehe nicht; jetzt fing er besser auch nicht mehr damit an. »Haben Sie wenigstens den Sonntag frei?« fragte er die Henkel, und sie hob die Schultern und murmelte: »Sonntag? Ja, am Sonntag.«

31
    Manchmal ging Biggi in ihrer eigenen Wohnung hin und her, auf und ab wie in einer Zelle, vor und zurück, bis das Bein zu sehr schmerzte. Vielleicht war es nur eine dumme Angewohnheit, doch überlegte sie ja dabei, sie ging herum und dachte nach. Die Möbel könnte man anders stellen, ihre Möbel standen nicht so, wie sie das manchmal in Wohnzeitschriften sah, es lag wohl am Platz. Die Wohnungen in den Wohnzeitschriften waren größer. Mehrere Male schon hatte sie die kleineren Möbelstücke umgestellt, viel besser wurde es aber nicht.
    Bei der Henkel drüben war es anders. Alles war anders. Als sie endlich etwas sehen konnte, zuckte sie zurück und hörte den eigenen Atem. Jetzt war alles ganz nah.
    Durch das Fernglas hindurch hätte sie jeden Gegenstand bei ihr berühren können. Ein großer Raum, so sah es aus, Holzboden, kein Teppich. Ein gerahmtes Bild auf einer weißen Wand, das man nicht genau erkennen konnte, viele Lampen. Wenige Möbel nur, ein Schrank, ein kleiner Schreibtisch und ein breites, niedriges Bett mit einem Lederstuhl davor. Das Bett sah unordentlich aus, vermutlich war sie gerade erst aufgestanden. Eine seltsame Figur mitten im Raum, ein dünnes Ding aus Eisen wie ein leuchtendes Männchen. Kissen und Zeitschriften auf dem Boden vor dem Bett, Blätter einer Pflanze. Kniete man sich hin, veränderte sich die Perspektive und man konnte weiter sehen, immer weiter, in das nächste Zimmer hinein. Anscheinend war eine Tür herausgenommen worden, man sah Lautsprecherboxen auf dem Boden, eine Art Tresen mit Flaschen und Gläsern, Umrisse eines Sofas. Es wirkte ein bißchen leer. Biggi wußte nicht, ob es ihr gefiel. Aber es sah so aus, wie es ihr selbst nie eingefallen wäre, nicht so elend bieder.
    Unten auf der Straße schlich der alte Mann vorbei, hinter ihm sein Hund. Kirchenglocken begannen zu läuten. Komisch und feierlich zugleich, wie sie ihre kleine Prozession bildeten, der Mann und der Pudel, zum dumpfen Klang der Glocken. Biggi ließ sich auf den Boden sinken. Eine kleine Ewigkeit saß sie so, und es war, als färbe der Friede des Viertels ein wenig auf die Seele ab, als rissen die Wolken auf und alles wurde hell. Bisher war der Sonntag so ein zäher Tag gewesen, der nie richtig verging.
    Am Freitag hatte sie in der Firma aus einer hingeschmierten Abrechnung eine Tabelle machen müssen. Ein Produktionsassistent kam damit an, murmelte: »In einer Stunde ist das bitte fertig.« Alle redeten so. Er hatte sich schon wieder zur Tür gedreht, als sie sagte, sie hätte noch etwas für Gabriel zu schreiben.
    »Scheiß drauf.« Sein häßliches Lachen. Sie kannte noch nicht einmal seinen Namen. Vielleicht hatte sie genickt und »Gut« gesagt, irgendein fügsam klingendes Wort, dann hatte sie das

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