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Mimikry

Mimikry

Titel: Mimikry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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Seite, stand auf und blieb dann mitten in der Küche stehen. Er hatte Bernsteinaugen. Es war eine Sache, über Freundinnen zu lästern, wenn sie auf einen Typen deuteten und fragten: »Hast du seine Augen gesehen?« Doch Czerwinski hatte Bernsteinaugen. Sie blickten so ruhig, daß man glatt anfangen könnte, alles mögliche zu erzählen. Manchmal fummelte er an ihr herum, wenn sie redeten, was normal war, sie berührte ihn ja auch, sobald er in Reichweite war, sie sah ihn ja selten genug, doch nie flackerte sein Blick. Sicher könnte man ihm massenhaft Zeug erzählen, chaotisches Zeug, das im Innern brannte, aber dann hörte man womöglich nicht auf, konnte es nicht stoppen, und dann?
    »Was ist?« fragte er. »Suchst du was?«
    Sie nahm die beiden Teller und trug sie zur Spüle. »Die Presse putscht das wieder zum Sozialdrama auf, logisch.«
    »Der Mann im Hochhaus?«
    »Ja eben, daß sich keiner kümmert und so. Das hat aber mit den Hochhäusern gar nichts zu tun. Der in Hamburg hat fünf Jahre in ’nem ganz normalen Mietshaus gelegen, und dann waren wieder alle Nachbarn die Bösen. Dieses Sozialgequatsche immer.« Sie drehte den Wasserhahn auf und sah zu, wie das Wasser in die Teller lief und dann über den Rand hinaus. »Was erwartet man denn von den Leuten? Daß die jedem die Türen einrennen, den sie paar Tage nicht gesehen haben? Da täte ich mich bedanken.«
    »Ja, aber meine Mutter sagt, sie hätte Angst, wenn sie hinknallt und nicht mehr hochkommt, daß sie dann da liegenbleiben muß, wenn keiner da ist, sie ist ja nicht so gesund. Weil, wenn ich nicht da bin, kommt ja keiner mal gucken, wie es ihr geht.« Er seufzte.
    »Aber ihr seid doch ein ganzer Clan.« Sie drehte das Wasser ab. »Ich meine, sie muß sich doch darauf verlassen können, daß ihre Kinder sie anrufen und sich dann kümmern, wenn was nicht stimmt, das ist doch was ganz anderes.«
    »Meine Brüder kümmern sich nicht richtig. An Festen kommen sie. Und wenn sie in der Scheiße stecken, da kommen sie auch. Von meinen Schwestern bloß die Gudrun, die putzt ihr die Treppe. Das ist ihre Lieblingstochter.« Er deckte den Rest Spaghetti mit Alufolie ab und stellte die Schüssel in den Kühlschrank. »Na ja, anrufen tun sie schon alle. Aber das ist ja einfacher wie hingehen.«
    »Und du bist ihr Lieblingssohn, oder?« Sie kniff ihn ins Ohr.
    »Ja«, sagte er ernst. »Weil ich im Knast war. Manchmal ist es auch der Bernhard. Sie nimmt sich immer zum Lieblingskind, wer ihr den meisten Ärger macht, das ist komisch. Na ja, und ich bin der jüngste – miez, miez.« Er kniete sich vor den Kater hin, der jammernd an der Tür stand. »Ina, er sagt, er hat Hunger.«
    »Nein, hat er nicht, das ist bloß Show. Der ist abgefüllt bis oben. Bring ihn mit.« Sie nahm die Rotweinflasche und die Gläser und ging ins Schlafzimmer herüber. »Nachbarn, die sich kümmern, sind doch eh alles Nervensägen.« Mit der Flasche deutete sie zum Fenster. »Da drüben wohnt eine, die ist noch nicht mal alt, die steht oft tagelang am Fenster und glotzt, die hat mich mal so genervt, daß ich am Tag die Jalousien runtergezogen habe.«
    Czerwinski setzte den Kater auf dem Bett ab und goß die Gläser voll. »Und hat sie’s kapiert?«
    »Weiß nicht. Ist mir jetzt auch egal. Hier wird’s ja nicht richtig hell, das macht die Wohnung noch kleiner, als sie eh schon ist.« Sie setzte sich aufs Bett, während er zum Fenster ging und die Jalousie etwas nach oben zog. »Wenn ich dann diese Dinger unten habe, krieg ich Zustände.«
    »Gegenüber?« fragte er.
    »Ja, auch im zweiten.«
    »Da ist es dunkel.«
    »Na, da wird sie mal in der Koje liegen.« Sie nahm ihr Glas und streckte die Beine aus. Als er sich neben sie setzte, lehnte sie sich gegen seine Schulter.
    »Nimm doch Gardinen«, sagte er.
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich kann mich beherrschen, womöglich noch mit Spitzen. Das sieht so spießig aus. Und überhaupt, ich werd mir doch von so ’ner Trulla nicht vorschreiben lassen, was ich mit meinen Fenstern mache.«
    »Ich finde Scheibengardinen hübsch«, sagte er. »Man kann aber eh nicht reingucken. Braucht man schon ein Fernrohr.« Er zog sie an sich und streichelte ihre Wange. »Glaubst du denn, du findest den Mörder?«
    »Von ihm? Was weiß ich. Nach über drei Monaten –« Sie ließ den Wein im Glas kreisen; staunend sah der Kater vom Fußende aus zu. »Die größte Chance hast du direkt nach der Tat. Die meisten haben wir in den ersten drei Tagen.«
    »Das hat du

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