Mimikry
du.«
»Und du?« Sie schob den Rest Nudeln auf dem Teller hin und her. »Dauernd guckt man auf die Uhr. In zwei Stunden haust du wieder ab, und nach der Woche Nachtschicht kommt wieder ’ne Woche Spätschicht, das ist doch Scheiße.«
»Ja, weiß ich.« Er kniff die Augen zusammen. »Iß doch.«
»Wann änderst du das mal?«
»Wenn die anderen mit mir tauschen. Ich bin zuletzt gekommen, und der Direktor weiß, daß ich Bewährung hab.«
»Ja und? Bewährung heißt nicht kuschen.«
»Ich bin ja für die Spätschichten eingestellt worden, und der Direktor hat gesagt, wenn’s Ärger gibt, sollen wir uns untereinander einigen. Der eine kann überhaupt nur am Tag. Der hat Kinder.«
»Die schlafen doch nachts.«
Er hob die Schultern. »Du arbeitest ja auch nicht regelmäßig.«
» Was tu ich nicht?«
»Ja, du hast ja wohl auch Schichten, deine komische Bereitschaft und so, und kommst dauernd spät heim. Wer war denn das, der mal am Wochenende mitten in der Nacht wegmußte? Ich weiß wenigstens, wann ich Feierabend hab.«
Sie legte die Gabel zurück. »So ’n blödes Gezänk –«
» Ich bin das auch nicht, der Anrufe kriegt, wenn er gerade im Bett, naja.«
»Das war einmal. Außerdem waren wir fertig. Und ich sag dir was, ich will nicht mehr zu dir ins Hotel, weißt du, wie ich mir da vorkomme, wenn ich an dem Typ vorbei muß?«
»Halil.«
»Ist mir wurscht, wie der heißt. Der muß mich doch für sonst was halten –« Sie blies die Backen auf.
»Nein, tut er nicht. Ich hab ihm gesagt, daß meine Freundin kommt.«
»Der versteht dich doch gar nicht.«
»Doch, das hat er verstanden.«
Sie nahm ihr Weinglas und stellte es gleich wieder ab. »Außerdem geht das nicht, du kannst dich da nicht als Portier von einem aus der Küche vertreten lassen, der zweieinhalb Worte Deutsch kann. Wenn dein Chef das mitkriegt, kannst du einpacken.«
Schweigend aß er seinen Teller leer, langsam wie immer, denn eine seiner Lebensregeln – die sechste? Die siebte? – besagte: gut kauen, damit der Magen ruhig blieb. Als er fertig war, hob er den Kopf. »Und essen tust du auch nie richtig. Guck mal, was noch da ist.«
»Da wird man so schnell satt von«, murmelte sie. »Ich heb den Rest auf. Wärm ich dann in der Pfanne.«
Kopfschüttelnd stand er auf. Als er um den Tisch herumkam, lehnte sie sich zurück. Er schob ein Knie auf ihren Stuhl, legte ihr die Hände auf die Schultern, und sie umfaßte seine Hüften und drückte die Stirn gegen seine Brust. Eine Weile blieben sie so, während draußen vor dem Fenster zwei Jungs mit lauten Stimmen etwas von einer Party erzählten und daß da was los wäre und wie man da hinkäme und was man da tun würde.
Sie sah ihn an. »Mir geht grad viel daneben, weißt du?«
»Hast du Ärger?«
»Nicht direkt. Ich glaub nur, ich bin nicht gut im Moment. Ich meine, wenn man nicht weiterkommt, wird’s einem dann angelastet.«
»Der Lackaffe«, sagte er. »Der macht dich fertig.«
»Blödsinn. Das ist ein guter Kollege, ich hab schon schlimmere gehabt.«
»Ich hab schon oft gehört, daß die sich, also die Polizisten untereinander, kein Auge aushacken.«
»Warum sollten sie?« Sie kicherte. »Du meinst Krähen.«
»Ja, wenn die einen zusammenprügeln und es kommt vor Gericht, decken die sich gegenseitig.«
»So, und hast du vielleicht mal gesehen, wie die von anderen behandelt werden? Wie ein Haufen Dreck manchmal, bist du mal auf Demos gewesen oder beim Fußball oder hast du –«
»Ja«, sagte er. »Da hab ich’s gesehen. Wie sie prügeln.«
»Wie sie prügeln!« Sie schlug ihm mit der Faust aufs Knie. »Mensch!«
»Hast du schon mal geschossen?« Er rückte näher, und sie machte Platz, dann saß er halb auf ihrem Schoß.
»Warum will eigentlich jeder Kerl wissen, ob ich schon mal geschossen hab?« Sie legte ein Bein über seins. »Auf Zielscheiben. Im Training.«
»Denkst du, es sind Menschen?«
»Nein, ich denke, es sind Zielscheiben.« Sie schob die Hände unter seinen Pullover und murmelte: »Hör auf damit.«
»Du hast mit dem Mann aus dem Hochhaus zu tun, oder? Der ewig da rumlag, ich hab’s in der Zeitung gelesen.«
»Ja, auch.«
»Wie sah der denn aus? Der hat bestimmt nicht so gut –«
»Nein, hat er nicht.« Sie sah an ihm vorbei. »Laß es sein, Herzchen, du hast gerade gegessen.«
»Macht dir das nix aus?«
»Ist mein Job. Darf mir nichts ausmachen.«
Er nickte. »Ich hab noch nie einen Toten gesehen.«
»Schön für dich.« Sie schob ihn zur
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