Mind Control
Ekzemen und eitrigen Geschwüren, die nur notdürftig mit Tüchern verhüllt waren. Anderen setzten Haarausfall, löchriger Hautfraß und schwarze Melanome zu.
»Wo sind wir hier?«, wollte Nikolaj von Johnson wissen.
»Auf dem >Platz der Freiheit««, sagte Johnson leise. »Ich schätze, sie wollen uns rüber zum Königssitz bringen.«
Er nickte in Richtung eines beeindruckenden Sandsteinpalasts am jenseitigen Ende des Markts, der majestätisch seine schlanken Türme in den Himmel reckte. Umgeben war die königliche Anlage von einer hohen Stacheldrahtmauer mit Selbstschussanlagen, hinter der sich auf breiter Front ein abfallender Hang erstreckte. Dieser erlaubte den Blick auf einen tiefer liegenden Slum. Das dortige Meer aus Wellblech- und Lehmhütten erstreckte sich bis zum flimmernden Horizont. »Früher soll da unten ein Fluss vorbeigeströmt sein: der Ubangi!«, ergänzte Johnson. »Keine Ahnung, ob das stimmt.«
»Und wer lebt in diesem Palast?«
»Irgendein Kleinkönig. Zulu selbst hat keinen festen Aufenthaltsort. Zu viele Attentate, verstehen Sie? Von der Machtfülle sind diese Kleinkönige vergleichbar mit den Oberbürgermeistern der Global Cities.«
Rechts von ihnen reckten einige Afrikaner die Hände zum Hover empor und flehten ihre Bewacher in kehligem Dialekt um Almosen an. Zahnlücke schoss eine knatternde Salve in die Luft, und sofort stoben die Menschen auseinander.
Johnson rückte näher. »Kommen Sie den Menschen hier nicht zu nahe«, wisperte er. »Manche ihrer Krankheiten sind ansteckend. Und auf gar keinen Fall sollten Sie etwas essen, das hier angeboten wird. Das Wasser ist voll mit Keimen, der Mais ist radioaktiv verseucht, und selbst die Algenfladen stammen aus Zuchtfarmen, die noch vor Zulus Machtergreifung gebaut wurden. Vor allem das Fleisch hier ist nicht genießbar.«
»Fleisch?« Nikolaj sah seinen Begleiter verwundert an. »Ich denke, hier auf der Erde gibt es kaum noch Tiere?«
»Na ja.« Johnson sah zu Augenklappe auf, der sie misstrauisch musterte. Die Hover bahnten sich weiter einen Weg durch die Menge. »Nicht alles hier auf der Erde ist tot. Sie glauben nicht, was sich aus Insekten alles herstellen lässt … « Der Konzerner deutete mit gefesselten Händen zu einem hausgroßen ATV-Truck hinüber, über dem eine Wolke schwarzer Fliegen hing. »Zulus Kämpfer bevorzugen allerdings das da.« Auf der Ladefläche standen Männer, die einen gewaltigen und von Geschwüren übersäten Fisch zerteilten, fast so groß wie ihr Hover.
»Es gibt noch Wale auf der Erde?«
»Nein, das ist ein Viktoriabarsch«, korrigierte ihn Johnson. »Schon mal davon gehört? Der Viktoriasee hat die Verwüstungen überstanden, nur dass sein verstrahltes Wasser jetzt Monstrositäten hervorbringt, die angeblich sogar die Menschen am Ufer anfallen. Der See dient Zulu als Fleischkammer zur Versorgung seiner Truppen.«
»Das Zeug ist genießbar?«
Johnson warf ihm einen gequälten Blick zu. »Die Alternative wäre Hundefleisch, aber das ist ebenso verseucht.«
»Hund?« Überrascht sah Nikolaj seinen unfreiwilligen Fremdenführer an.
»Aber klar, Hunde gibt es noch überall auf der Erde. Ebenso wie Katzen. In den Slums der Städte sind die verwilderten Biester zu einer echten Plage geworden. Hier natürlich auch.« Er deutete hinüber zu einem großen Abfallhaufen, neben einigen gut bewachten Ständen mit welligbraunem Spinat, Alkohol und Waffen.
Erstmals fiel Nikolaj das Rudel räudiger Köter auf, das sich dort knurrend und mit gefletschten Zähnen um einen Sack Müll balgte. Es handelte sich um ein gutes Dutzend Tiere. Nikolaj leckte sich über die Lippen. Obwohl die Hover in dem Gewühl nur langsam vorankamen, hatten sie sich dem Palast bereits bis auf einen halben Kilometer angenähert. »Finden Sie von hier aus zu Gardner Pharmaceutical oder Starlook?«, fragte er leise.
Johnson sah ihn überrascht an. »Jetzt?«
»Ja, jetzt!«, zischte Nikolaj wütend, während er zugleich versuchte, sich vor Augenklappe und Zahnlücke nichts anmerken zu lassen.
Johnson nickte unmerklich.
»Können Sie mit einem Hover umgehen?«
»Äh, ich weiß nicht.«
»Und mit einer Waffe?«
»Ich?«
Nikolaj hätte den unbeholfenen Konzerner am liebsten durchgeschüttelt. Doch er brauchte den Mann. »Gut, halten Sie sich bereit.« Nikolaj schloss die Augen hinter seiner Brille, atmete tief ein und streckte seinen Geist nach den verwilderten Hunden aus. Zunächst waren seine Versuche nur ein Tasten. Er musste
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