Mindfuck: Warum wir uns selbst sabotieren und was wir dagegen tun können (German Edition)
Unser Denken kann also Zeitreisen in die Vergangenheit und in die Zukunft simulieren. Kein Zweifel: Wir haben alle mit unserem einzigartigen Kopf ein Meisterstück der Evolution verpasst bekommen. Ein Problem ist das erst dann, wenn wir all diese wunderbaren Fähigkeiten gegen statt für uns einsetzen. Sehen wir uns an, wie sich unser Denken entwickelt, dann können wir sehen, wo und warum wir damit anfangen, uns zu stören.
Wie wir uns und die Welt entdecken – und was das mit
MINDFUCK
zu tun hat
Um mehr über die Entwicklungsstadien unserer Persönlichkeit in der Kindheit zu erfahren, habe ich mit Anke Pannier gesprochen. Sie ist Erzieherin, Sozialpädagogin, ausgebildeter Life-Coach und arbeitet als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Evangelischen Fachhochschule Berlin. Sie baut dort in einem Team von Wissenschaftlern den neuen Studiengang Elementare Pädagogik (Frühpädagogik) auf, der die Ausbildung von Erzieherinnen auf ein Hochschulniveau bringt. Sie hat selbst zwei Sprösslinge und weiß ein Lied davon zu singen, was Eltern erleben, wenn Kinder sich selbst und die Welt entdecken.
Zunächst, so lernte ich im Gespräch, fühlen wir uns als Kinder noch ganz in unserer eigenen Welt und wissen noch nicht, dass es ein Außen und ein Innen, uns selbst und andere gibt. Diese Phase, in der wir uns in Symbiose, also als Einheit, mit der Außenwelt und unseren engsten Bezugspersonen erleben, dauert bis ungefähr zum dritten Lebensjahr. Ab da beginnen wir uns selbst im Unterschied zur Außenwelt zu erleben. Im sogenannten Spiegeltest kann man beobachten, dass Kinder in dieser Phase beginnen, ihr Spiegelbild als Abbild ihrer selbst wahrzunehmen. Malt man einem Kind in diesem Alter vor dem Spiegel einen roten Punkt auf die Nase, greift es nicht mehr zum Spiegelbild, sondern an die eigene Nase, um diesen Punkt zu entfernen. Das Kind weiß zu diesem Zeitpunkt, dass es selbst eigenständig existiert und das Spiegelbild nicht jemand anderes ist.
Die Geburt unseres inneren Dialogs
In diesen Wochen und Monaten fängt ein Kind an zu begreifen, dass es es selbst gibt und dass die anderen andere sind. Es löst sich aus der Symbiose mit Außenwelt und Bezugsperson und erfährt das Wunder der eigenen Individualität. Das alles geht nur, weil unser Denken nun in der Lage ist zu trennen, und es teilt sich in zwei. Auch in uns selbst geschieht diese Trennung und Zweiteilung. Unser Selbstempfinden erkennt nun ein Innen und ein Außen, ein Ich und die anderen. Das ist die Grundlage für eine eigenständige Persönlichkeitsentwicklung und für das Zusammenleben als soziales Wesen mit anderen.
Unser Denken besteht ab diesem Moment in seiner wichtigsten Ausprägung. Wir fangen an, mit uns selbst zu sprechen. Wir sind nicht mehr eine unbewusste Einheit, die einfach lebt, sondern wir bilden im inneren Dialog eine Beziehung zu uns selbst und zu anderen. Damit sind aber auch alle Bedingungen gegeben, die wir brauchen, um einen Inneren Wächter zu haben. Und der bekommt in den nächsten Jahren viel Futter, um zu wachsen.
Kinder entwickeln diese Fähigkeiten ungefähr zeitgleich mit ihren komplexeren sprachlichen Fähigkeiten. Wir lernen in dem Alter, Bezüge herzustellen, Ursache und Wirkung zu erkennen. Wir schichten Bauklötzchen auf Bauklötzchen und lernen, was wir tun müssen, damit das Türmchen stabil bleibt.
In einem fortwährenden Lernprozess nehmen wir die Welt der Dinge und der Menschen, die uns umgeben, in uns auf. Wir schaffen ein Abbild von der Welt um uns herum in unserem Bewusstsein. Wenn wir andere Menschen erleben, bilden wir diesen Eindruck tatsächlich mit eigens dafür ausgerichteten speziellen Gehirnzellen, den sogenannten Spiegelneuronen, nach. An der Reaktion unserer Umwelt prüfen wir nach und nach, ob unsere Gefühle »richtig« sind. Das können wir gut bei kleinen Kindern beobachten, die hinfallen und zuerst den Blick ihrer Eltern suchen. Reagieren die Eltern mit einem bestürzten oder schmerzvollen Gesichtsausdruck, erlauben sie sich zu weinen und selbst den Schmerz zu spüren. Bleiben die Eltern dagegen gelassen, fangen Kinder unter Umständen gar nicht an zu weinen oder beruhigen sich leichter. Durch eigene Erfahrungen und durch die Rückmeldungen anderer erfahren wir, wer wir sind. In einem fortlaufenden Austausch mit unserer Umwelt bilden wir in den nächsten Jahren die Grundlagen unserer Persönlichkeit.
Wir lernen, wie wir auf andere wirken, was gut ankommt und was weniger. Wir denken und
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