Mindfuck: Warum wir uns selbst sabotieren und was wir dagegen tun können (German Edition)
sie, wie sie sich entscheiden würde, wenn Lebensqualität ihr höchster Maßstab wäre und sie nicht nur den halben, sondern den ganzen Kuchen haben dürfte. »Dann«, meinte sie, »würde ich mich für eine Uni entscheiden wollen, die beides hat. Eine tolle Umgebung und einen guten Ruf.« Ich ermunterte sie, ihre Perspektive noch ein wenig zu erweitern und über den Tellerrand ihrer Region hinauszuschauen. Als wir die Perspektive auf die ganze Welt ausdehnten, kam sie auf eine ganze Reihe von herausragenden Universitäten, die in wunderschönen Städten in den verschiedensten Ländern lagen. Wenn sie die klangvollen Namen dieser weltberühmten Orte aussprach, leuchteten ihre Augen vor Begeisterung. Gleichzeitig zeigte sich sehr deutlich eine neue mentale Störung: »Wie komme ausgerechnet ich dazu, mir so etwas vorzustellen? Das sind doch alles nur Träume!« Mit dem typischen »Schuster, bleib bei deinen Leisten«- Bewertungs- MINDFUCK sprach sie sich ab, solche Wünsche überhaupt haben zu dürfen. Wir reflektierten den
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als solchen, und sie erlaubte sich, sich damit zu beschäftigen, tatsächlich an einer weltweit renommierten Traumuniversität zu studieren. Ich gab ihr die Aufgabe, die Zulassungsbedingungen der verschiedenen Universitäten zu recherchieren, sich aber tatsächlich nur auf die für sie attraktivsten zu konzentrieren, die, bei denen sie sofort ein Kribbeln im Bauch spürte. Denn ein Kribbeln im Bauch deutet immer auf Intensität, Neugierde, Lust und damit darauf hin, dass der Maßstab Lebensqualität aktiviert ist. Sie kam wieder und wirkte erschöpft, aber glücklich. »Sie werden es kaum glauben, ich bin schon aufgefordert worden, mich an zwei dieser Traumunis zu bewerben. Zuerst hatte ich Angst und dachte mir, was mache ich nur, wenn die mich ablehnen? Aber ich habe schnell gemerkt, dass das nur
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ist. Ich habe dann einfach hingeschrieben und dachte, dass ich schon erwachsen bin und auch mit einer Absage umgehen kann.« Schließlich begann diese junge Frau tatsächlich an einer hervorragenden Universität im Ausland zu studieren. Im Sommer nach unserem Coaching bekam ich eine Postkarte mit Strandmotiv von ihr, auf der sie mir schrieb: »Der ganze Kuchen ist wirklich besser als der halbe.« Seitdem ist das ein geflügeltes Wort in meinem Leben.
Auch bei einer Lehrerin, die nach einem Burn-out zu mir ins Coaching kam, brachte die Konzentration auf den neuen Maßstab Lebensqualität den erhofften Durchbruch. Aus meiner vorherigen Coaching-Erfahrung mit ihrer Branche – zu meinen Klienten zählten unter anderem Referendare, Lehrer und Schulleiterinnen – war mir bewusst, dass sie aus einem Umfeld kam, in dem altes Denken noch die Regel ist. Der Fokus auf Leistung, Folgsamkeit gegenüber den jeweils Oberen und die Mentalität, alles auf sich zu nehmen, was verlangt wird, ist hier noch weit verbreitet. Pflichtbewusstsein und Folgsamkeit, so überholt das klingen mag, sind für viele Lehrerinnen und Lehrer bis heute die inadäquaten Messlatten ihres Lebens.
Als ich meiner Klientin mit Burn-out nun vorschlug, damit zu experimentieren, Lebensqualität zum Maßstab ihres Lebens zu machen, war sie zunächst erschrocken: »Was? Das kann ich doch nicht machen!? Das ist nicht Ihr Ernst, oder?« Ich wiederholte meinen Vorschlag und lud sie ein, nur so zu tun, als ob dies der neue Maßstab wäre. Sie müsse es ja nicht gleich übernehmen. Ohne jede andere Intervention von meiner Seite sprudelte es aus ihr heraus:
In wenigen Sätzen hatte sie vollkommen selbständig ihr Berufsleben reorganisiert: »Zuerst würde ich die Stundenzahl reduzieren. Dann würde ich mich nicht mehr so perfektionistisch vorbereiten. Damit hätte ich auch endlich wieder Freizeit, um wieder laufen zu gehen und mich mit Freunden zu treffen. Wenn der Direktor meckert, würde ich mich selbstbewusst mit ihm unterhalten und meinen Standpunkt vertreten. Mir wäre es insgesamt nicht mehr so lebenswichtig, was die Kollegen oder der Direktor von mir denken. Ich habe 20 Jahre Erfahrung und darf selbst entscheiden, worauf ich meine Prioritäten lege. Stress mit den Schülern würde ich nicht mehr so persönlich nehmen. Denn wenn ich will, dass es mir gutgeht, muss ich die Dinge auch im Beruf lassen und nicht immer mit nach Hause schleppen …« Als sie zu Ende gesprochen hatte, war sie vollkommen überrascht über das, was sie da gerade in voller Überzeugung selbst gesagt hatte. »Das ist ja, als ob das schon alles in mir
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