Mindhunter - Tödliche Gabe (German Edition)
– es war einfach so passiert. Und wenn der Krieg nicht dazwischengekommen wäre, wären er und die süße Annie Ryan eines der Paare geworden, die nach der Highschool geheiratet und in inniger Zufriedenheit und Harmonie ihr Leben zusammen verbracht hätten.
Aber der Krieg war dazwischengekommen. Der Krieg – und noch eine ganze Menge mehr.
Und jetzt war Annie weg und Bach allein. Und da Liebe auf den ersten Blick eine lächerliche Vorstellung war – man konnte nicht jemanden lieben, den man gar nicht kannte, das war völlig absurd –, war er bisher mit der Überzeugung durchs Leben gegangen, dass er, da er nicht liebte, auch nicht begehrte.
Doch nun war da Anna Taylor. Deren sehr komplexes Gehirn Bach, fast ohne zu zögern, betreten hatte und die er jetzt sicherlich wesentlich besser kannte als noch vor zehn Minuten. Sie hatte ihr Telefon gefunden und scrollte zu dem Anruf hinunter, den sie vormittags erhalten hatte. »Die Vorwahl ist 781«, teilte sie ihm triumphierend mit. »Sie haben mich um kurz vor zwölf angerufen und mich zum Vorstellungsgespräch eingeladen.«
»Rufen Sie sie nicht mit Ihrem Handy zurück«, sagte er und reichte ihr sein eigenes Telefon. »Nehmen Sie meins. Und sobald Sie die Nummer eingegeben haben, schalten Sie Ihr Handy aus.«
Er spürte ihre Zweifel aufsteigen. Wer war er, was machte sie in seinem Auto, und warum sollte sie ihm trauen?
Joe Bach wird Nika finden.
Joe Bach wird dir nichts tun.
All deine Fragen werden beantwortet …
Er spürte, wie sie wieder nachgab, sie tat, was er ihr gesagt hatte und gab die Nummer in sein Telefon ein. Dann hielt sie es sich ans Ohr und lauschte mit verschränkten Armen, angespanntem Gesicht und Augen, die ins Leere blickten.
»Es klingelt«, murmelte sie mit einem Seitenblick zu ihm.
Bach drückte ein paar Knöpfe am Lenkrad und nahm Verbindung mit dem OI auf, um das zweite Telefon hier im Auto zu aktivieren. »Wenn der Anrufbeantworter drangeht, sprechen Sie nicht drauf«, riet er ihr, und sie nickte.
Er konnte ihre Enttäuschung spüren, als sie die Verbindung unterbrach. »Es hat einfach aufgehört zu klingeln«, berichtete sie, »und dann war ein Piepton zu hören.«
Drüben am OI nahm Elliot ab. »Ich sehe auf Ihrem Navi, dass Sie auf dem Weg hierher sind.«
»Richtig«, sagte Bach. »Mit Anna Taylor. Sie sind auf Lautsprecher. Wir haben eine Telefonnummer, die wir überprüft haben möchten. Wollen Sie mich weiterverb…«
»Ach, Quatsch, Maestro. Das kann ich doch machen«, sagte Elliot. »Eine meiner leichtesten Übungen. Hallo, Anna, Nika Taylors Schwester. Wie lautet die Nummer?«
Bach warf Anna einen Blick zu, die die Ziffern von seinem Telefon ablas.
»Ich bin übrigens Elliot. Wenn Sie hier sind, treffen wir uns und … Oh. Laut unserem Computer gehört diese Nummer zu einem bisher noch nicht aktivierten Wegwerfhandy.«
»Das ergibt keinen Sinn«, sagte Anna.
»Doch, tut es«, klärte Bach sie auf. »Wenn ein Hacker Zugriff auf die Nummer hatte –«
»Warten Sie mal ganz kurz«, unterbrach Elliot ihn. »Ich bekomme noch etwas mehr Info … Es gehört zum Blacklight-Netz, und die verkaufen sowohl ihre Hardware als auch ihre Airware in …« Er stieß einen dramatischen Seufzer aus. »Fast jedem Megastore in Amerika. Tut mir leid. Das hilft Ihnen gar nicht weiter, oder? Haben Sie von dieser Nummer eine Lösegeldforderung erhalten?«
»Nein«, antwortete Bach ihm. »Aber jemand hat sie benutzt, um Anna – Miss Taylor – anzurufen und sie zu der Zeit, wenn sie Nika normalerweise von der Schule abholt, woandershin zu locken. Wir glauben, dass das Mädchen in diesem Zeitraum entführt wurde.«
Anna war sauer – auf sich selbst. »Ich hätte die Firma anrufen und es mir bestätigen lassen sollen.«
»Warum hätten Sie das tun sollen?«, fragte Bach sie. »Es war ein Vorstellungsgespräch. Wer immer das war, er wusste, dass Sie Arbeit suchen. Und das ist wahrscheinlich noch nicht alles, was die über Sie wissen. Ich glaube, wir können dankbar sein, dass die nicht von Anfang an eine dauerhaftere Methode angewendet haben, um Sie loszuwerden.«
Die Familie des nächsten Mädchens würde wahrscheinlich nicht so ein Glück haben.
Drüben im OI sagte Elliot: »Ihre voraussichtliche Ankunftszeit hier ist in circa zehn Minuten. Wir erwarten Sie.«
»Danke«, sagte Bach. »Was ist mit Hempford?« Er fragte, obwohl er die Antwort kannte. Sie war ziemlich offensichtlich, wenn Elliot nicht nur draußen bei den Computern
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