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Mindstar 02 - Das Mord-Paradigma

Mindstar 02 - Das Mord-Paradigma

Titel: Mindstar 02 - Das Mord-Paradigma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter F. Hamilton
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Gesicht war bleich, mit schmalen geschwungenen Augenbrauen, einer langen Nase und kräftigen Lippen. Sie trug einen weißen Mantel aus irgendeinem glänzenden Stoff, der keinen Hinweis darauf gab, welche Kleidungsstücke sie möglicherweise darunter anhatte. Die Schuhe waren ein praktisches Modell aus schwarzem Leder mit kleiner Schnalle und flachen Fersen. In der Linken hielt sie ein Cybofax.
    »Mr. Mandel?« Sie reichte ihm die Hand.
    »Greg, bitte.«
    »Ich bin Stephanie Rowe, Dr. MacLennans Assistentin. Ich bringe Sie zu ihm.«
    Die Flure waren fensterlos und zogen sich durch das Zentrum des Gebäudes. Sie kamen mehrfach an Wärtern vorbei, alle in ordentlichen marineblauen Uniformen, immer paarweise oder in größeren Gruppen unterwegs. Bei zwei Gelegenheiten begleiteten sie Gefangene, Männer mit rasierten Schädeln, lose sitzenden gelben Overalls und weißen Plastik-Neuralblockern, die fest um den Hals saßen.
    Greg blickte stirnrunzelnd hinter dem zweiten Gefangenen her. »Tragen alle Gefangenen Neuralblocker?«
    »Ja, in unserer Anstalt alle. Wir haben hier einige der rücksichtslosesten Kriminellen des ganzen Landes. Ich meine jetzt nicht die Gangbosse oder Synthobarone, sondern die gewalt- und sexorientierten Verbrecher, Mörder, Vergewaltiger und Kinderschänder.«
    »Klar. Versuchen viele von ihnen zu fliehen?«
    »Nein. In den letzten zwölf Monaten hatten wir nur zwei Versuche. Die Fähigkeit des Kragens, jemanden außer Gefecht zu setzen, wird jedem Insassen bei seiner Ankunft demonstriert. Obendrein haben die meisten resigniert, wenn sie hier eintreffen, sind deprimiert und in sich gekehrt. Verbrechen, wie sie sie begangen haben, führen dazu, daß selbst die eigenen Familien sie ausstoßen. Sie waren draußen schon Einzelgänger; sie könnten nirgendwohin, haben keine Organisation, die bereit wäre, sie zu verstecken und für sie zu sorgen. Unserer Erfahrung nach wollten die meisten von ihnen gefaßt werden.«
    »Denken Sie, daß Sie sie heilen können?«
    »Der Begriff, den wir heute benutzen, lautet Verhaltens-Neuorientierung. Und ja, wir hatten einigen Erfolg. Natürlich bleibt noch viel zu tun.«
    »Wie steht die Öffentlichkeit dazu?«
    Geschlagen schnitt sie eine Grimasse. »Ja, auf diesem Gebiet rechnen wir mit größeren Problemen. Es wäre politisch riskant, sie nach abgeschlossener Behandlung zu entlassen.«
    »Gehört Liam Bursken zu denen, die einen Fluchtversuch unternommen haben?«
    »Nein.«
    »Hat er es jemals probiert?«
    »Wiederum nein. Er ist ständig in Einzelhaft. Selbst nach unseren Begriffen gilt er als extrem gefährlich. Wir können nicht zulassen, daß er sich unter die übrigen Insassen mischt. Es wäre zu problematisch. Die meisten würden ihn einfach des Ansehens wegen attackieren, das es ihnen einbrächte.«
    »Keine Ehre mehr unter Dieben, was?«
    »Das sind keine Diebe, Greg. Es sind sehr kranke Menschen.«
    »Sind Sie Ärztin?«
    »Psychiaterin, ja.«
    Sie stiegen eine Treppe zum zweiten Stock hinauf. Greg dachte über das nach, was sie gesagt hatte. Eine professionelle Liberale, entschied er; sie hatte zuviel Vertrauen in die Menschen. Vielleicht auch zuviel Vertrauen in ihren Beruf, wenn sie glaubte, eine Therapie könnte zu vollständiger Heilung führen. Das war nicht möglich; wie er wußte, konnte man nie mehr erhoffen, als die Risse überzutapezieren. Aber andererseits gab ihm die Drüse auch einen Vorteil und ermöglichte ihm, Eindrücke von den tatsächlichen Funktionen des Verstandes zu gewinnen.
    »Warum möchten Sie dann hier arbeiten?« fragte er, als es einen weiteren Flur entlangging.
    Sie lächelte ihn kurz an. »Ich wußte gar nicht, daß ich es war, die Sie befragen wollten.«
    »Sie brauchen mir nicht zu antworten.«
    »Es macht mir nichts aus. Ich bin hier, weil wir hier an der vordersten Front der Verhaltensforschung arbeiten, Greg. Und die Bezahlung ist gut.«
    »Ich habe noch nie zuvor gehört, wie jemand das zu einem Gehalt im öffentlichen Dienst sagte.«
    »Ich arbeite nicht für den Staat. Das Gefängnis wurde vom Unternehmen Berkeley gebaut, das es mit einer Konzession des Innenministers betreibt. Das Unternehmen finanziert auch das Forschungsprojekt der Verhaltens-Neuorientierung, mein Arbeitsgebiet.«
    »Das erklärt viel. Ich konnte mir auch nicht vorstellen, daß das Innenministerium über die Ressourcen für eine solche Einrichtung verfügt.«
    Stephanie zuckte unverbindlich die Achseln und öffnete die Tür zum Büro des Direktors.

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