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Mindstar 02 - Das Mord-Paradigma

Mindstar 02 - Das Mord-Paradigma

Titel: Mindstar 02 - Das Mord-Paradigma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter F. Hamilton
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und alle waren mit den Namen von Adeligen, Würdenträgern und Angehörigen des Königshauses beschriftet, die sie der Grafschaft gestiftet hatten.
    Das Gericht selbst beanspruchte nur die vordere Saalhälfte, ein abgeteilter Bereich aus billigen, hellgrau gestrichenen Holzbänken mit der Anklagebank an der Rückseite. Dahinter lag eine offene Fläche von etwa zwanzig Quadratmetern.
    Als Nicholas den Saal durch eine kleine Tür an der Frontseite betrat, mit Handschellen an Jon Nevin gefesselt, stockte er beinahe. Etwa hundert Reporter drängten sich auf der hinteren freien Fläche. Jeder einzelne starrte ihn an.
    Man führte ihn zu der Anklagebank, dem Richtertisch gegenüber, und er spürte in jedem Augenblick diese gierigen Blicke, die sich ihm ins Genick bohrten. Die Verhandlung war kurz und verlief förmlich. Nicholas erinnerte sich daran, dem Protokollführer seine Identität zu bestätigen, und brauchte dann nichts weiter zu tun, als dem Staatsanwalt zuzuhören, wie er seinen Antrag aus einem Cybofax ablas. Ein blumiger Rechtskauderwelsch, grotesk altmodisch. Warum hing die Welt nur an diesen Ritualen?
    Nicholas’ Anwältin war aufgestanden und sagte etwas. Er hörte hinter sich das Scharren von Füßen, unterdrücktes Husten, das leise beharrliche Klicken von Fingern auf Cybofaxtasten. Er spürte die Neugier, die von den Leuten ausging, ein lautloses Verlangen nach Wissen, als hätten sie darauf mehr Anrecht als die Polizei und die Anwälte.
    »Stattgegeben«, sagte die Vorsitzende Richterin, eine Frau in mittleren Jahren, vom gleichen kräftigen Körperbau wie Lisa Collier.
    Die offiziellen Prozeßteilnehmer standen von den Bankreihen auf und unterhielten sich in gedämpftem Ton.
    »Kommen Sie«, sagte Nevin.
    Nicholas stand auf und erstarrte. Die Reporter blieben still, wahrten ein kollektives, erwartungsvolles Schweigen. Nevin zerrte beharrlich an Nicholas’ Arm und fühlte sich im Rampenlicht nicht weniger unbehaglich.
    »Ich habe es nicht getan«, sagte Nicholas. Die Presse hörte ihm wenigstens zu. Niemand sonst tat es. »Ich war es nicht.«
    Keine Antwort erfolgte.
    Nevin und zwei uniformierte Beamte schleppten ihn hinaus.
    Die entwürdigende Decke, die Fahrt im Auto. Er hörte, wie der Regen auf die Straßen prasselte.
    Die Zelle. Das Monster hinter Gittern, die Öffentlichkeit vor seiner Grausamkeit geschützt. Alte Männer konnten jetzt sicherer in ihren Betten schlafen. Diesmal waren die Zellenwände einander näher gerückt und hing die Decke tiefer. Nachts umschlossen die Mauern seinen Körper direkt, faßten ihn in kalten schwarzen Marmor ein.
     
    Rosette war der geborene Fernsehstar; ihre anmutigen Kurven bezauberten die Kamera, unterstrichen ihre hoheitsvolle Art, zeigten keine Spur ihrer Verstocktheit. Sie stand auf dem Bürgersteig vor der Polizeiwache Oakham neben einem langen, modernen, marineblauen Aston Martin mit Chauffeur. Die Beifahrertür stand offen, und Rosette hielt sich zum Einsteigen bereit, tat aber den Reportern einen großen Gefallen und verwöhnte sie richtig. Das Sonnenlicht brachte ihr blondes Haar perfekt zur Geltung, wie es ihr auf die Schultern der blattgrünen Jacke fiel.
    »Mit der Geburt ist in sieben Monaten zu rechnen«, sagte sie. »Ich habe vor, dazu in eine Londoner Klinik zu gehen. Das Kind wird jedoch auf jeden Fall in England zur Welt kommen; Edward hätte sich das gewünscht. Er war ein großer Nationalist.«
    Das Baby war Nicholas neu. Er akzeptierte die Tatsache benommen. Ein kleiner Winkel in ihm hätte sich eigentlich freuen sollen, aber er fand ihn nicht. War das jetzt ein Cyborgbewußtsein der Art, wie es Menschen befähigte, ihre Mordopfer grausam abzuschlachten? Aber falls er so gefühllos war, wieso hatte er sich dann in Isabel verliebt? Eine höchst rätselhafte Sache, sein eigenes Bewußtsein.
    »Wie lange hatten Sie schon eine Affäre mit Kitchener?« wollte ein Reporter wissen.
    »Ich denke, ich habe mich in Edward verliebt, als ich acht Jahre alt war. Ich kann mich erinnern, daß ich ihn damals in einer TV-Wissenschaftssendung gesehen habe. Er sprach so leidenschaftlich über sein Thema, und doch schimmerte sein Sinn für Humor stets durch. Er wirkte soviel lebendiger als jeder andere Mensch. Danach waren die wissenschaftlichen Fächer mein Schwerpunkt in der Schule. Edward blieb in meinen Gedanken gegenwärtig, ein unbesungener Mentor, eine Inspiration. Das wichtigste Ziel meines Lebens war es, zum Studium auf Launde Abbey eingeladen zu

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