Mindstar 02 - Das Mord-Paradigma
Blut und Gefühl heftig wieder in die Hände schossen. Die Tür fuhr knallend zu, und das Schloß summte.
Er empfand die Nacht als schlimm, allein mit seiner fast selbstmörderischen Verwirrung, der Erinnerung an die Beschuldigungen. Eleanors trostloses Gesicht, das Messer mit seinen entsetzlichen schwarzen Schuppen. Niemand redete mit ihm; der Sergeant, der ihm das Abendessen brachte, knallte das Formtablett stumm auf den Tisch. Irgendwie und irgendwo war es zu einem furchtbaren Irrtum gekommen. Er wartete und wartete darauf, daß sie endlich herausfanden, wo sie einem Trugschluß erlegen waren, daß sie zurückkamen und ihn wieder freiließen. Er verlangte ja keine Entschuldigung, er wollte einfach nur wieder gehen dürfen.
Mücken und kleine ockerfarbene Nachtfalter tauchten aus der Gitteröffnung der inaktiven Klimaanlage auf und umflatterten lautlos die Bioleuchtplatte. Das Licht brannte die ganze Nacht. Nicholas kauerte sich in eine Ecke unter dem hochgelegenen Fenster, zog die Knie an die Brust, eine Decke um die Schultern, und wartete, wartete …
Der Freitagmorgen war noch schlimmer, denn er riß ihn aus seiner extremen Isolation und warf ihn mitten in das Chaos eines Medien-Irrenhauses.
Das Schiedsgericht von Oakham tagte im Schloßsaal. Von der Polizeiwache aus war es nur eine kurze Fahrt um den Park herum. Nicholas behielt im Wagen die ganze Zeit eine Decke über dem Kopf.
Er spürte, wie der Wagen ruckelnd anhielt. Die Tür ging auf. Rufe prasselten auf ihn herein.
»Haben Sie es getan?«
»Welches Motiv hatten Sie, Nick?«
»Standen Sie unter Drogeneinfluß?«
Er versuchte, sich in den Autositz zu bohren. Eine Hand wie Stahl umklammerte seinen Arm und zerrte ihn aus dem Wagen.
»Kommen Sie, Junge, hier entlang. Blicken Sie zu Boden; es kommt keine Stufe.«
Die Fragen flossen zu einem durchgängigen, langgezogenen Geheul ineinander. Nicholas sah Asphalt unter seinen Turnschuhen, dann blaßgelbe Steinfliesen. Das Licht wechselte. Er war drinnen.
Jemand zog ihm die Decke herunter.
Er fand sich in einem kurzen Gang mit getünchten Wänden wieder, schmal und beengt. Lisa Collier stand vor ihm, und sie beide befanden sich im Zentrum eines Ringes aus drängelnden Polizisten.
»Ich habe es nicht getan!« erklärte er der Anwältin heftig. »Bitte, Mrs. Collier. Sie müssen mir glauben!«
Sie fuhr sich mit einer Hand durchs Haar und sah ihn verwirrt an. »Nicholas, wir klären das alles später. Wissen Sie, warum Sie hier sind?«
»Wo sind wir?«
Sie ächzte und warf Langley einen bösen Blick zu. »Himmel! In Ordnung, Nicholas, das hier ist das Schiedsgericht. Man hat eine Sondersitzung einberufen. Die Polizei möchte Sie für zweiundsiebzig Stunden in Gewahrsam nehmen, um Sie zu verhören. Bislang wurde keine offizielle Anklage erhoben, ja? Ich habe keine Grundlage, um dem Antrag zu widersprechen. Haben Sie das verstanden?«
»Ich habe es nicht getan.«
»Nicholas! Hören Sie mir zu! Wir halten heute kein Plädoyer. Man wird Sie einfach in Gewahrsam nehmen und zurück auf die Wache bringen. Bei jedem Verhör wird ein Anwalt zugegen sein. Nun, möchten Sie, daß ich weiter Ihre Anwältin bin?«
»Ja, ja, bitte.«
»In Ordnung. So, wir gehen jetzt direkt hinein. Sie brauchen nichts zu sagen, müssen nur Ihren Namen bestätigen, wenn der Protokollführer Sie danach fragt. Kapiert?«
»Ja. Meinen Namen.«
»Schön. Nun, sehen Sie, ich konnte unmöglich die Presse aussperren lassen, also tobt da drin ein ganz schöner Zirkus. Aber Gott sei Dank ist es in einem englischen Gericht nicht gestattet, Bildaufnahmen zu machen. Tun Sie Ihr Bestes, und ignorieren Sie die Reporter.« Sie betrachtete ihn von Kopf bis Fuß und attackierte Langley. »Es ist absolut unentschuldbar, ihn in diesem Zustand anzuschleppen! Für mich läuft das auf Einschüchterung hinaus!«
Langley zupfte an seiner Krawatte. Er trug einen ordentlichen grauen Anzug. »Tut mir leid, die Zeit war bei uns ein bißchen knapp. Kommt nicht wieder vor.«
»Da haben Sie verdammt recht, das wird es nicht!« versetzte sie angewidert.
Der alte Saal wirkte so bizarr, daß Nicholas überzeugt war, einen Alptraum nach dem Strickmuster von Alice im Wunderland zu erleben. Sechs dicke Steinsäulen trugen eine hohe, gewölbte Decke; jede der weißgetünchten Wände war mit Hufeisen in allen Größen behangen, von echten Hufeisen bis zu kunstvoll vergoldeten Bögen von anderthalb Metern Höhe. Die meisten trugen an der Spitze eine Krone,
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