Mindstar 02 - Das Mord-Paradigma
finden den wirklichen Killer.«
»Siehst du? So einfach ist das.«
»Danke. Hast du gleichermaßen eindrucksvolle Vorschläge, wie wir dabei vorgehen sollen?«
Sie musterte ihn nachdenklich und tippte sich mit dem Zeigefinger an die Zähne. »Zuerst müssen wir feststellen, ob sonst noch jemand ein Motiv für den Mord an Kitchener hatte. Sobald wir das wissen, können wir uns überlegen, wie er es angestellt hat. Was sagt deine Intuition dazu?«
»Gute Frage.«
Er leitete eine geringfügige Neurohormonsekretion ein und wandte sich nach innen, sank hinab zu dem Teich aus stiller Einsamkeit im Zentrum des eigenen Bewußtseins und suchte dort nach Überzeugungen herum. Das einzige Mal, daß ihn die Intuition bei diesem Fall gezwickt hatte, war beim Anblick der drei kleinen Fischseen von Launde gewesen. Was er in der Folge bequemerweise wieder vergaß, da Eleanor das retrospektive Neurohormon eingenommen hatte. Die Seen, sie waren der Grund, warum er an Nicholas’ Schuld zweifelte.
Aber wieso?
Greg stellte den Flachbildschirm im Wohnzimmer auf Telefonmodus ein, während er sich entspannt auf dem Sofa zurücklehnte. Er ging die im Cybofax gespeicherten Notizen durch, bis er die Nummer von Stocken Hall fand, und überspielte sie in die Ware des Flachbildschirms. Eine Sekretärin meldete sich und versuchte ihn abzuspeisen, als er nach James MacLennan fragte, also zog er wieder seinen Zaubertrick mit der alles erschlagenden Autorisierung durch das Innenministerium durch.
»Du wirst damit noch zum richtigen Tyrannen«, stellte Eleanor fest. Sie saß dem Sofa gegenüber in einem Sessel, außerhalb des Aufnahmebereichs der Kamera im Flachbildschirm.
»Yeah; und es ist ein richtig gutes Gefühl.« Mit einem überflüssigen Seufzen breitete er die Arme auf der Rückenlehne des Sofas aus.
Sie reagierte mit einem verächtlichen Grinsen.
Der Direktor von Stocken Hall erschien auf dem Flachbildschirm; er saß in einem schicken blauen Anzug hinter seinem Schreibtisch. Die Jalousie vor dem Aussichtsfenster war auch jetzt wieder heruntergelassen.
»Mr. Mandel, ich glaube, Sie haben sich Glückwünsche verdient.« Ein warmes, gleichmäßiges Lächeln zeigte perfekte Zähne.
»Die Polizei hat einen Verdächtigen verhaftet, yeah.«
»Eine ausgezeichnete Nachricht! Vielleicht lassen die Medien uns jetzt wieder in Ruhe.«
»Verwetten Sie dabei nicht Ihr Leben.«
»Nein. Völlig richtig. Womit kann ich Ihnen helfen? Meine Sekretärin sagte, Sie riefen in dringenden Geschäften des Innenministeriums an.«
»Nun, ich brauche Informationen darüber, wie das menschliche Gehirn funktioniert, besonders im Hinblick auf Ihr Fachgebiet: das Gedächtnis. Dieser Verdächtige, Nicholas Beswick, konnte mich doch tatsächlich hereinlegen. Er ist der absolut erste Mensch, der das geschafft hat. Wie Sie sich vorstellen können, macht mich das ein wenig nervös.«
»Tatsächlich? Möchten Sie damit sagen, daß er Ihren empathischen Sinn ausgetrickst hat?«
»Yeah. Er sagte, er hätte es nicht getan, und ich habe ihm geglaubt. Sehen Sie, es gab keine Ausflüchte, kein Doppelspiel. Jeder Hinweis auf den Mord hätte seine Erinnerung an das Ereignis wachrufen müssen und damit alle die normalerweise dazugehörenden Gefühle der Schuld und Reue. Ich konnte jedoch nicht den geringsten Hinweis auf eine Greueltat oder eine Täuschung spüren. Sein Bewußtsein kam mir absolut normal vor, ohne irgendeine Verwandtschaft zu dem irrsinnigen Monster Liam Bursken.«
»Ich verstehe. Es wirkt tatsächlich ein wenig seltsam.«
»Was ich nun erfahren möchte: Wäre es möglich, daß er sich mit Vorsatz dazu bringen konnte, es zu vergessen? Ich meine, sogar unterbewußt. Konnte er den Mord einfach glattweg aus dem Gehirn löschen? Beswick behauptet immer noch, er wäre unschuldig, obwohl die Beweislage ziemlich schlüssig ist. Ich kann mich erinnern, daß Sie ein Medikament erwähnten, daß Amnesie herbeiführt.«
MacLennans Lächeln schwächte sich ab, wich ernster Besorgnis. »Skopolamin. Ja. Die Substanz ist recht verbreitet, wird aus Pflanzen gewonnen. Normalerweise setzt man sie als leichtes Beruhigungsmittel sowie gegen Reisekrankheit ein. Und seit mehreren Jahrhunderten dient sie auch für rituelle Zwecke. Mit großen Dosen kann man etwas herbeiführen, was effektiv ein Trancezustand ist. Zahlreiche Fälle von Skopolaminvergiftung sind aufgezeichnet worden, besonders in Lateinamerika. Um die Jahrhundertwende wurde es durch Verbrecherbanden zu einem
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